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Jeder fünfte Gymnasiast schafft es in Berlin nicht bis zum Abschluss.

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Abitur in Berlin: Eltern schicken zu viele unreife Schüler zum Gymnasium

Jeder fünfte Gymnasiast schafft es nicht bis zum Abschluss, seitdem Berlin den Gymnasien einen nur zwölfjährigen Weg zum Abitur verordnet hat. Daran sind auch die Eltern schuld. Die sehen das Gymnasium nämlich als Freikarte für den Erfolg.

Bis zum bitteren Ende wird in Berlin auch schwachen Schülern vorgegaukelt, sie wären an den Gymnasien an der richtigen Adresse. Auf das butterweiche Probejahr, das nur den Schwächsten Einhalt gebietet, folgt eine dreijährige Hängepartie, in der die Gymnasien niemanden vor die Tür setzen können. Und das Ganze gipfelt dann im Mittleren Schulabschluss, den fast alle Gymnasiasten bestehen, weil sich seine Anforderungen – zu Recht – nicht an künftige Abiturienten, sondern an künftige Azubis richten. Somit wähnen sich die Gymnasiasten in einer falschen Sicherheit, bevor sie in der rabiaten Welt des Turboabiturs landen.

Wohin das führt, ist jetzt zum zweiten Mal zu besichtigen: Jeder fünfte Gymnasiast schafft es nicht bis zum Abschluss, seitdem Berlin den Gymnasien einen nur zwölfjährigen Weg zum Abitur verordnet hat. Man muss das Turboabitur nicht verteufeln: Es ist zu schaffen für Jugendliche, die strukturiert arbeiten können oder eine gute Auffassungsgabe haben und nicht pausenlos bei Facebook festhängen. Für alle anderen Schüler wäre es aber besser, von Anfang an den ausgeruhteren Bildungsgang der Sekundarschulen zu beschreiten, die ihren Schülern weiterhin 13 Jahre Zeit bis zum Abitur lassen.

Dies aber wollen viele Eltern nicht wahrhaben, weil ihnen die Gymnasien als Freikarte für den späteren beruflichen Erfolg erscheinen. Oder weil sie glauben, dass ihre Kinder in den Gymnasien in „besserer Gesellschaft“ sind. Das macht sie beratungsresistent für alle Versuche der Schulleiter, sie rechtzeitig von der Überforderung ihrer Kinder abzuhalten.

Die Sozialdemokraten ficht das nicht an. Sie beharren auf dem freien Zugang zu den Gymnasien und verkaufen das als Achtung vor dem Elternwillen. Dabei verbirgt sich hinter diesem scheinbar so großzügigen Verfahren nichts anderes als der Wunsch, die Inflation des Gymnasiums voranzutreiben – auf dass es aufhöre, etwas Besonderes zu sein.

Dieses Denken kollidiert mit der Realität des Turboabiturs: Hier werden plötzlich die Zügel angezogen, nachdem man sie vier Jahre lang hat schleifen lassen. In der Folge müssen jährlich rund 2000 Gymnasiasten in der Oberstufe ganze Jahrgänge wiederholen oder ihre Schulen kurz vorm Ziel verlassen. Diese 2000 bezahlen die Zeche für eine politisch gewollte Inkonsequenz. Man könnte auch sagen: für die ungeschickte Verquickung von Ideologie plus Pisa-Reformeifer.

Es wird aber noch härter für Berlins Gymnasiasten. Denn in zwei Jahren kommen erstmals jene armen Versuchskaninchen in die verkürzte Oberstufe, die mit fünf Jahren eingeschult wurden. Sie stecken noch halb in der Pubertät, wenn sie die Weichen für ihre Abiturfächer stellen sollen, um dann mit der Jagd nach dem bestmöglichen Notenschnitt zu beginnen.

Wie gut, dass es für die dann 16- oder 17-jährigen Absolventen wenigstens einen Landeskinderbonus an den Berliner Universitäten gibt, damit sie – nicht volljährig – nicht auch noch in der Ferne studieren müssen. Aber vielleicht wiederholen sie ja auch einfach zwei Schuljahre. Dann ist wieder alles wie früher, als Pisa nur eine Stadt in Italien war.

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