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Meinung: Achse ohne Auftrag

Was Moskau, Paris und Berlin können – und was nicht

Das war schon eine bemerkenswerte Veranstaltung! Einen Abend und einen Vormittag beschworen der russische Präsident Putin, sein französischer Kollege Chirac und Bundeskanzler Schröder in St. Petersburg die Bedeutung des Völkerrechts und die Vorherrschaft des Rechts über die Gewalt. Die drei sprachen über den Irak nach dem Krieg – und bemerkenswert war das deshalb, weil den Dreien ausgerechnet jene nicht zuhörten, für die die Botschaft eigentlich bestimmt war. Briten und Amerikaner haben im besiegten Reiche Saddam Husseins alle Mühe – die Engländer weniger, die Amerikaner mehr – sich nicht von plündernden Banden auf der Nase herumtanzen zu lassen. Aber auf die Idee, den russischen, französischen und deutschen Ideen über eine irakische Nachkriegsordnung konzentriert zuzuhören, kommen sie nun wirklich nicht. Zumindest nicht so direkt, dass man wirklich von ernsthaftem Interesse sprechen könnte.

Gerade dieses Schweigen ließ die drei Politiker in St. Petersburg umso eindringlicher an die Weltöffentlichkeit appellieren. Denn die drei haben ein gemeinsames Problem: Sie möchten über die Zukunft eines Landes reden, in dem sie nichts zu sagen haben. Der deutsche Bundeskanzler hat sich konsequent jeder Unterstützung eines Krieges um den Irak verweigert und damit breite Unterstützung in der Bevölkerung gefunden. Zu konsistenter, durchsetzbarer Weltpolitik wurde dieser Ansatz erst, als die Franzosen, ständiges Mitglied im Sicherheitsrat, ihm beitraten. Gerhard Schröder ermöglichte Jacques Chirac, sich gegen die USA in Szene zu setzen. Seitdem reden die Gegner dieser Politik von einer Achse Paris-Berlin, die nach Moskau verlängert wurde. Achse – dieser Begriff ist im Zusammenhang mit der Beschreibung deutscher Politik historisch kontaminiert. Die Achse Berlin-Rom-Tokio beschrieb den Pakt dreier faschistischer Länder gegen die demokratische Welt. Gerhard Schröder, der sich bemerkenswert intensiv für Geschichte interessiert, unternahm in St. Petersburg alles, um solche Reminiszenzen zu vertreiben. Tatsächlich ist der Vergleich bösartig und so falsch wie der Versuch, das Aneinanderrücken von Berlin und Moskau mit einem zweiten Rapallo zu vergleichen, mit einem gegen den Westen gerichteten Sonderbündnis. Der Rapallovertrag von 1922 war der verzweifelte Versuch des geschlagenen Deutschland, sich gegen intransigente Kriegsgegner von einst, vor allem Frankreich, ein Minimum an außenpolitischem Spielraum zu verschaffen.

Was jetzt geschah, ist also das Gegenteil der Achsen-Historie. Hier geht zusammen, was früher gegeneinander stand. Ob es deswegen gut geht, ist eine ganz andere Frage. Die drei Länder haben heute eine Reihe gemeinsamer Interessen, die zu langfristiger Zusammenarbeit führen können. Aber gegen etwas zu sein – die amerikanischen Hegemoniebestrebungen zum Beispiel – reicht nicht, um positive Politikziele zu definieren. Weil er diese Einseitigkeit spürte, hat UN-Generalsekretär Kofi Annan eine Einladung nach St. Petersburg nicht angenommen. Dieser Achse fehlt der dauerhafte Antrieb, so, wie dem Gipfel selbst der vorwärts weisende Ansatz fehlt.

Die drei Mächte wollen über die Uno an einer Nachkriegsordnung des Irak mitwirken? Schön. Aber wie? Steckt dahinter wirklich das Bemühen, der Weltorganisation wieder mehr Einfluss zu geben, oder ist es doch nur der Versuch, die jeweilige nationale Industrie ins Wiederaufbaugeschäft einzureihen? Die Antwort blieben die Drei schuldig.

Gerd Appenzeller

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