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Bundespräsident Joachim Gauck: "Ich wünsche mir mehr intellektuelle Redlichkeit."

© dpa

Äußerung von Joachim Gauck: Neoliberalismus ist nicht bloß ein Begriff

Bundespräsident Gauck hat den Begriff des Neoliberalismus verteidigt. Doch es geht nicht darum, einfach besseres Marketing für die Freiheit zu betreiben. Eine Gesellschaft, die sich gegen Wettbewerb sträubt, muss manchmal auch überrumpelt werden.

Bundespräsident Joachim Gauck hat sich in der vergangenen Woche zum Neoliberalismus geäußert. Er finde es traurig, dass Neoliberalismus nach der Finanzkrise zum politischen Kampfbegriff geworden sei, sagte er beim 60. Geburtstag des Walter-Eucken-Instituts in Freiburg. Der Präsident hat Recht – und doch tut er den Neoliberalen der frühen Bundesrepublik – Walter Eucken, Alexander Rüstow, Wilhelm Röpke, Friedrich August von Hayek – Unrecht.

Denn erstens kam es den Neoliberalen nicht auf Begriffe, an. Sie haben für eine Wirtschaftsordnung gekämpft, nicht für ein Etikett. Zweitens haben sie der Versuchung widerstanden, der Gauck erlegen ist. Sie haben den Wettbewerb nie zu einem Verfahren verniedlicht, das zwar manchmal ein bisschen wehtut, aber am Ende doch für jeden erkennbar wunderbar wirkt. Im Gegenteil. Sie haben erbittert für den Wettbewerb als Prinzip und über die Frage gestritten, ob und wie viel davon eine Gesellschaft vertragen kann. Ihre Antwort war: ziemlich viel.

Gauck bietet dagegen einen pastellfarbenen Wettbewerb als neue Lesart an. Genau so wie FDP-Chef Christian Lindner neuerdings den mitfühlenden Liberalismus ausruft. Beide machen einen Fehler: Sie halten die Bürger für dümmer, als sie sind. Der Neoliberalismus und der Liberalismus von heute brauchen kein besseres Marketing. Sie brauchen kluge Verteidiger.

Die Zumutungen einer Ordnung der Freiheit werden in einer alternden Gesellschaft auch dann nicht bequemer, wenn man sie weichzeichnet. Eine Gesellschaft, die in ihren Reflexen seit jeher den Schutz vor zu viel Wettbewerb verlangt, muss zur Freiheit immer wieder überzeugt – und manchmal auch überrumpelt werden. Das hat Ludwig Erhard genau so gemacht wie Gerhard Schröder. Der Freiheit erweist man keinen Dienst, wenn man die Verteidigung der Wettbewerbsordnung zu einer rhetorischen Angelegenheit degradiert.

Den Dakota-Indianern wird der Satz zugeschrieben: Wenn Du entdeckst, dass Du ein totes Pferd reitest, steig ab. Der Streit um den Begriff Neoliberalismus ist ein totes Pferd. Der Streit für die freiheitliche Wirtschaftsordnung ist es nicht.

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