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Afghanistan-Besuch: Die Guttenbergs: Unter den Laternen

Den Deutschen sind solche Auftritte wie der der Guttenbergs unvertraut. Prompt gibt es Empörung. Aber Hand aufs Herz: Hätte Guttenbergs Vorgänger, Franz Josef Jung, seine Frau Beate einmal mit nach Afghanistan genommen, hätte sich kaum jemand aufgeregt.

Politiker dürfen weder gut aussehen noch Spaß an ihrer Arbeit haben. Wer gegen eines dieser zwei Gebote oder gar gegen beide verstößt, macht sich verdächtig. Rasch ist dann von einem Hallodri die Rede, von Unseriosität, Inszenierung und Show. Der Verteidigungsminister reiste am Montag in vorweihnachtlicher Mission zu den deutschen Soldaten nach Afghanistan. Er war nicht allein. Begleitet wurde Karl-Theodor zu Guttenberg von seiner Frau Stephanie, zwei Ministerpräsidenten und dem Fernsehmoderator Johannes B. Kerner. Im Bundeswehrcamp Masar-i-Scharif zeichnete Kerner eine einstündige Talkshow auf, deren einziger prominenter Gast Guttenberg war. Am Rande kamen einige Soldaten zu Wort.

Wird der Krieg durch eine solche Visite bagatellisiert? Ist da, wo getötet und gestorben wird, Platz für Glamour und Unterhaltung? Beweist Guttenberg einmal mehr seine politgeniale Treffsicherheit oder hat er jene Linie überschritten, die Takt, Würde und Bescheidenheit von Obszönität trennt? An „KT“, so viel zumindest ist sicher, scheiden sich die Geister – er selbst würde vielleicht ergänzen: die kleinen Geister von den großen.

Die kleinen Geister studieren emsig das gerade veröffentlichte 109-seitige Afghanistan-Dossier des Auswärtigen Amtes mit dem Titel „Fortschrittsbericht“, sie wandern von einer Expertenanhörung zur nächsten und warten auf die Regierungserklärung, die der Außenminister an diesem Donnerstag zu Afghanistan abgeben will. Die großen Geister dagegen tun all das auch – und noch ein bisschen mehr. Sie suchen nach populären Formen, um eine Extraportion Solidarität zum Ausdruck zu bringen. Dafür scheuen sie weder Kitsch noch Pathos. „Eine Frage des Herzens“ sei dieser gemeinsame Besuch für sie gewesen, sagt Guttenberg. Und weil es menscheln soll, scheuen sie auch Kerner nicht.

Den Deutschen sind solche Auftritte unvertraut, jedenfalls aus dem eigenen Land. Jacqueline Kennedy wurde vor 50 Jahren an der Seite von John F. Kennedy zur bestgekleideten Frau der Welt gekürt. Carla Bruni stellt auf Reisen mit Nicolas Sarkozy ihren Mann oft in den Schatten. Michelle und Barack Obama treten ganz selbstverständlich international als Paar und national als Talkshowgäste auf. Nur bei uns muss Politik möglichst bieder und ernst sein. Hand aufs Herz: Hätte Guttenbergs Vorgänger, Franz Josef Jung, seine Frau Beate, mit selbst gebackenem Gebäck für die Truppe, einmal mit nach Afghanistan genommen, hätte sich wohl kaum jemand empört.

Am Ende eines Jahres, in dem in Deutschland mehr fähige Politiker zurückgetreten als nachgewachsen sind, lässt es sich durchaus froh sein über einen Typus wie Guttenberg. Hart in der Sache, ob bei Opel oder im eigenen Ministerium, furchtlos vor Freund und Feind, ob bei der Bundeswehrreform oder der Aussetzung der Wehrpflicht, und innovativ im Stil: Damit eckt er an und imponiert zugleich. Manchmal hat man den Eindruck, je mehr er aneckt, desto höher schnellen seine Beliebtheitswerte.

Die Vernunft sagt: Ewig halten kann das nicht. Das brutale Gesetz der Öffentlichkeit verlangt nach der Verehrung den Sturz. Unterschiede, zumal jene, die eine Adelsaura umgibt, wollen viele instinktiv einebnen. Doch seltsam: Die Guttenbergs wissen das, scheren sich aber nicht darum. Politiker dürfen weder gut aussehen noch Spaß an ihrer Arbeit haben? Wenn diese Gebote einst hier nicht mehr gelten, hätten die Guttenbergs sie als Erste außer Kraft gesetzt.

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