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Meinung: Afghanistan: Krisenspezialkraft

Es wird ernst. Am Montag wollen Vertreter der Volksgruppen und Bürgerkriegsparteien Afghanistans in Deutschland zur Friedenskonferenz zusammentreten.

Es wird ernst. Am Montag wollen Vertreter der Volksgruppen und Bürgerkriegsparteien Afghanistans in Deutschland zur Friedenskonferenz zusammentreten. Eine schöne Aufgabe - ganz in der noch jungen rot-grünen Tradition: Mit dem Vermitteln tut man sich leichter als mit der Entsendung von Kampftruppen. Nach dem Kosovo-Krieg erfand Berlin den Balkanstabilitätspakt. Im Nahen Osten ist Joschka Fischer zu Recht stolz, dass Israelis wie Araber vertrauen.

Nur: Frieden stiften in Afghanistan, nach mehr als zwanzig Jahren Bürgerkrieg, das ist eine Herausforderung von ganz anderer Dimension. Viel größer als im Kosovo und mindestens so kompliziert wie in Palästina. Überhebt sich Deutschland da nicht?

Schon deshalb sind die innenpolitischen Erklärungen, warum die UN die Konferenz in Deutschland abhalten, zu kleine Münze. Sie solle die grünen Seelenqualen lindern und das Überleben des Außenministers beim Parteitag garantieren? Das hätten die Grünen gerne, dass sich die UN-Politik um sie dreht. Kaum besser ist die konservative Belohnungspädagogik: Nur wer mitkämpfe, habe politischen Einfluss. So mechanisch funktioniert Weltpolitik nicht.

Tastend sucht Deutschland nach seiner neuen Rolle. Es schätzt die "Kultur der (militärischen) Zurückhaltung", darf sich aber nicht mehr damit begnügen. Sein Gewicht ist gewachsen und damit seine Verantwortung. Deutschlands Rolle soll sich aber unterscheiden von der Großbritanniens und Frankreichs. Nicht aus Konkurrenzneid, sondern um die unterschiedlichen Traditionen für eine gemeinsame europäische Weltpolitik zu nutzen: in sinnvoller Arbeitsteilung.

Fischers Außenpolitik baut auf den Traditionen der Nachkriegszeit auf. In die engere Auswahl für die Konferenz kam Deutschland, weil es seit Jahren in der Afghanistan-Support-Group der UN aktiv ist, länger als Rot-Grün regiert. Und weil Berlin sich konsequent bemüht, die Rolle der Vereinten Nationen zu stärken. Nachhaltiges Engagement, das nicht zuerst danach fragt, wie sich das kurzfristig auszahlt, schafft Vertrauen.

Wilhelm II. als Kapital

Mit Erstaunen hören die Deutschen, dass Geschichtsepochen, die sie als Ballast empfinden, weltpolitisches Kapital sein können. Ihr guter Ruf bei vielen Afghanen - womöglich besser als der des britischen Empire - hat seine Wurzeln in der Unterstützung durch das Kaiserreich. Zu Unrecht wird es oft auf den deutschen Griff nach der Weltherrschaft reduziert. Auch die Aufnahme Tausender Bürgerkriegsflüchtlinge in den jüngeren Jahren hat ihre Rolle gespielt. Erst am Ende der Entscheidungskette hatte die Bereitstellung der Bundeswehr ihre Bedeutung: Hätte der Bundestag das Mandat verweigert, wäre Deutschland aus der engeren Wahl gefallen. So weit die Motive der UN.

Und die Perspektiven der Deutschen? Bei Friedensvermittlung und Aufbau einer stabilen Nachkriegsordnung möchte Fischer die Akzente der erneuerten deutschen Außenpolitik setzen. Der Balkan und der Nahe Osten sind für ihn Testfälle wie Profilierungschancen. Im Kosovo stellte sich Rot-Grün hinter die Nato-Luftangriffe. Intervention im Dienste der Menschenrechte - das war nur eine Hälfte der Rechtfertigung. Die zweite, politisch und moralisch ebenso wichtige wurde nachgeliefert: der Stabilitätspakt - um neuen Krieg zu verhindern.

Konferenzort Berlin: Diese Schlagzeile war kürzlich schon einmal zu lesen. Arafat hatte einen Nahost-Friedensgipfel in Fischers Amtssitz vorgeschlagen. Am Ende kam es nicht dazu - zu Fischers Erleichterung. Hier zeigten sich neben dem gewachsenen Aktionsradius auch die nach wie vor bestehenden Grenzen des Einflusses. Es ist Fischers persönliche Leistung, dass Deutschland trotz seiner Geschichte das Vertrauen beider Seiten genießt und deren wichtigster Partner in Europa ist. Zum Nahost-Vermittler jedoch reicht es noch lange nicht. Den Part kann nur Amerika spielen.

Auch an Afghanistan würde sich Deutschland mit einem solchen Anspruch überheben. Es wäre ein Makler ohne die Macht, die Bürgerkriegsparteien und Volksgruppen durch politischen und ökonomischen Druck zu einer Lösung zu drängen. Aber die Bundesregierung ist ja gar nicht der Ausrichter. Das sind die Vereinten Nationen. Deutschland ist Gastgeber. Eine dienende Funktion. Kein Anlass also für moralische Selbstüberhöhung, wie sie nach dem Kosovo-Krieg zu hören war: Amerikaner und Briten sind die Ersten beim Bomben - die Deutschen bei Friedenstiften und Wiederaufbau.

In Afghanistan und im Kosovo war Militär nötig, um der Politik die Chance zu eröffnen, nachhaltig Besserung zu schaffen. Deutschland kann das nicht alleine leisten. Aber es kann seine Akzente setzen, indem es sein politisches, ökonomisches, aber auch militärisches Gewicht in kluger Absprache in den Dienst der EU und der UN stellt.

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