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Alexis Tsipras:: „Ein historischer Moment für die Linke“

Der Konservative ist schon gescheitert. Jetzt soll der Führer der griechischen Linken versuchen, eine Regierung zu bilden. Ihm bleiben dazu nur drei Tage. Ein Porträt.

Jetzt soll Alexis Tsipras sein Glück versuchen. Der Chef des Bündnisses der radikalen Linken („Syriza“) bekam am Dienstag von Staatspräsident Karolos Papoulias den Auftrag, eine Regierungsbildung zu sondieren. Stolz sprach der 37-jährige Nachwuchspolitiker von einem „historischen Augenblick“. Tags zuvor hatte Antonis Samaras, der Vorsitzende der Konservativen, das Mandat nach wenigen Stunden entnervt zurückgegeben – vor allem, weil er sich bei Tsipras einen Korb holte. Der Syriza-Chef, dessen Partei bei der Wahl überraschend mit 16,8 Prozent Rang zwei erobert hatte, will sich jetzt um die Bildung einer Linkskoalition bemühen. Dafür hat er drei Tage Zeit.

Tsipras sagt, er wolle am Euro und der EU-Mitgliedschaft festhalten. Andererseits will er die Bedienung der griechischen Staatsschulden einstellen, Löhne sowie Renten erhöhen und die Arbeitslosigkeit mit Masseneinstellungen im Staatsdienst bekämpfen. Wie das zusammenpasst, hat er bisher nicht verraten. Aber selbst wenn er Verbündete für seinen widersprüchlichen Kurs finden sollte: Für eine Mehrheit dürfte es kaum reichen. Das liegt an den Kräfteverhältnissen im neuen Parlament. Tsipras’ Partei hat 52 Sitze. Sie braucht für die absolute Mehrheit im 300 Mandate umfassenden Parlament mindestens weitere 99 Stimmen. Da die Chefin der Kommunisten, Aleka Papariga, eine Regierungsbeteiligung ihrer Fraktion ablehnt, bleiben im linken Lager nur 60 Stimmen übrig. Selbst wenn Tsipras die Ultranationalisten mit ins Boot nähme, würde es nicht reichen. Und mit der Neonazi-Partei „Goldene Morgenröte“ wird er kaum koalieren wollen.

Vor den gleichen arithmetischen Problemen wird der sozialistische Parteichef Evangelos Venizelos stehen, an den der Sondierungsauftrag übergeht, wenn Tsipras erfolglos bleibt. Es gibt im neuen Parlament weder eine Mehrheit für den Sparkurs noch eine Mehrheit dagegen – ein Patt. Zwar ist theoretisch die Bildung einer Minderheitsregierung denkbar. Sie wäre aber kaum politisch handlungsfähig. Scheitern sowohl Tsipras wie Venizelos mit ihren Sondierungen, beraumt Staatspräsident Papoulias ein Treffen aller Parteiführer an. Scheitert auch dieser Versuch, wird das eben erst gewählte Parlament aufgelöst. Neuwahlen könnten dann am 10. oder 17. Juni stattfinden. Die proeuropäischen Parteien hoffen, dass dann nicht die Wut, sondern die Vernunft dominiert. Mehr als eine Hoffnung ist das aber nicht. Gerd Höhler

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