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Die Tage am Schreibtisch im Amtszimmer im Schloss Bellevue sind vorbei. Am 15. Juni 2010 wurde Horst Köhler mit einem großen Zapfenstreich verabschiedet.

© dpa

Ein Jahr nach dem Rücktritt: Als Bundespräsident Horst Köhler hinschmiss

Am 31. Mai 2010 erklärte Horst Köhler seinen Rücktritt als Bundespräsident. Er hatte in einem Interview Bundeswehreinsätze mit wirtschaftlichen Interessen Deutschlands verknüpft und war dafür massiv kritisiert worden.

Seit Hape Kerkeling sich mit dem Satz „Ich bin dann mal weg“ auf die Pilgerreise nach Santiago di Compostella machte, werden spektakuläre Rückzüge aus dem öffentlichen Leben gerne genauso etikettiert – ich bin dann mal weg. Als Bundespräsident Horst Köhler am 31. Mai 2010 um 14 Uhr seinen Rücktritt verkündete, wollte er sich nicht von den Zwängen des Amtes befreien, um eine Wanderschaft in der Nachfolge des heiligen Jakobus anzutreten. Aber ein Abschied von der Dauerpräsenz auf der Berliner Bühne war das schon. Er selbst empfand es wohl als Akt der Selbstbefreiung und als Zeichen des Protestes gegen einen Umgangsstil, der ihm überaus unangemessen erschien.

Der Satz „Ich erkläre hiermit meinen Rücktritt vom Amt des Bundespräsidenten – mit sofortiger Wirkung“ hat das Land zwar nicht aus dem Tritt gebracht, aber die Politik doch kurz den Atem anhalten lassen. So unwichtig, wie notorische Kritiker meinen, ist der Präsident nicht. Gerade in Krisenzeiten, bei der Auflösung des Parlamentes und der Ausschreibung von Neuwahlen, geht nichts ohne das Placet des Hausherrn im Bellevue. Aber das Grundgesetz hat vorgesorgt, sollte das Staatsoberhaupt handlungsunfähig sein. Dann vertritt der Präsident des Bundesrates. Jens Böhrnsen, Bremens Erster Bürgermeister, bewältigte die Interimsaufgabe bis zur Wahl des Köhler-Nachfolgers mit Stil.

Horst Köhler selbst hat die Gründe seines Rückzugs bis heute nicht voll dargelegt. An jenem 31. Mai 2010 erwähnt er die heftige Kritik, auf die seine Äußerungen zu Auslandseinsätzen der Bundeswehr gestoßen seien. Dabei hatte Köhler nichts Falsches und nichts Neues gesagt, als er auch den Schutz internationaler Handelswege als Einsatzgrund nannte. Dass er es auf dem Rückflug aus Afghanistan tat, schuf erst eine Konnotation, deren öffentliche Bewertung im Nachhinein recht hysterisch anmutet.

Dies hing wohl auch damit zusammen, dass Köhler am Ende farblos und ohne bestimmendes Thema war, ein Präsident, dessen hohes Ansehen in der Bevölkerung in einem seltsamen Kontrast zu den verheerenden Urteilen der politischen Klasse stand. Am ehrlichsten äußerte er sich jetzt einer Schülerin gegenüber: Man habe dem Amt, und damit ihm, „zu wenig Respekt gegeben“.

Ein Profi, das ist sicher, hätte in Köhlers Situation nicht kapituliert. Auch deshalb scheute die Politik wohl vor einem zweiten Experiment und wählte vergangenes Jahr nicht Gauck, sondern Wulff.

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