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Meinung: Alte Hüte und neue Köpfe

Das Treffen der Genossen hat dann doch nichts gebracht. Vor ein paar Wochen traf der Bundeskanzler die Kollegen Gewerkschaftsbosse, um die konjunkturelle Lage und ihre Auswirkungen auf die Löhne zu erörtern.

Das Treffen der Genossen hat dann doch nichts gebracht. Vor ein paar Wochen traf der Bundeskanzler die Kollegen Gewerkschaftsbosse, um die konjunkturelle Lage und ihre Auswirkungen auf die Löhne zu erörtern. Denn Schröder hat Angst. Die Wirtschaft hängt in der Rezession, das Arbeitsmarktziel des Kanzlers ist im Wahljahr unerreichbar, und Arbeitnehmer wie Arbeitgeber ächzen unter steigenden Lohnnebenkosten. Wenn dazu noch eine harte Lohnrunde kommt, womöglich mit Streiks und Aussperrungen, dann könnte die Konjunktur endgültig erlahmen - und dann bräuchte der Kanzler ein kleines Wunder zur Wiederwahl. Deshalb bat Schröder die Gewerkschafter Zwickel, Bsirske und Schmoldt um Mäßigung. Mit dem Ergebnis, dass der IG Metall-Vorstand jetzt eine Empfehlung zwischen fünf und sieben Prozent gab. Sieben Prozent - da kann Schröder einpacken.

Nun ist eine Empfehlung noch lange keine Forderung und schon gar kein Abschluss. Doch Zwickels Argumente für die "Fünf bis Sieben" sind nicht schlecht. Er rechnet die Milliardengewinne der Unternehmen in den vergangenen zwei Jahren vor und vergleicht dies mit den bescheidenen Lohnzuwächsen der Malocher; er veranschlagt für das kommende Jahr ein Produktivitätswachstum sowie eine Preissteigerung von insgesamt vier Prozent, die die Unternehmen an höheren Löhnen "kostenneutral" verkraften könnten, wie Zwickel meint. Aber vielleicht geht die Rechnung nicht auf: Die US-Wirtschaft hängt länger im Tief, die deutsche Wirtschaft dümpelt auch Mitte des Jahres noch vor sich hin, die Unternehmen streichen weiter Arbeitsplätze.

Tarifverhandlungen in der Rezession sind eine schwierige Angelegenheit und verlangen mehr Augenmaß als in "normalen" Zeiten. Wobei Augenmaß nicht Bescheidenheit bedeuten muss; es geht vielmehr um einen fairen Interessenausgleich zwischen den Beteiligten. Einen Ausgleich zwischen dem Gewinn des Unternehmens und dem Lohn des Beschäftigten. Selbstverständlich gibt es Unternehmen, die ihren Leuten sieben Prozent mehr zahlen können. Und es gibt Unternehmen, denen geht es so schlecht, dass sie nicht einen Cent auf die Lohnsumme drauflegen können.

Hier liegt der Kern des Problems im deutschen Tarifsystem: Die IG Metall als die stärkste Gewerkschaft marschiert voran und erzwingt einen ordentlichen Abschluss, den die Betriebe in Bayern ebenso zahlen müssen wie die Buden in Mecklenburg-Vorpommern. Dann kommen die anderen Branchen inklusive öffentlicher Dienst und schließen mehr oder weniger nach dem Vorbild der IG Metall ab. Das ist Wahnsinn. Klaus Zwickel hat das erkannt. Er will den Flächentarifvertrag mit betrieblichen Regelungen ergänzen. Lohnsteigerungen sollen künftig teilweise vom Erfolg der Firma abhängen. Kranke Firmen müssen also weniger zahlen dürfen als prosperierende. Was einfach und einleuchtend klingt, ist schwer zu realisieren. Zwickel stößt auf Widerstand in den eigenen Reihen, insbesondere sein Vize Jürgen Peters befürchtet eine Aufweichung der Tarifverträge, sollten die Betriebe zu viel selbst entscheiden dürfen. Vielleicht werden auch irgendwann die Gewerkschaften überflüssig, wenn die Betriebsparteien alles regeln können. Eine Alternative für mehr Differenzierung gibt es gleichwohl nicht. Das weiß auch Berthold Huber, der IG Metall-Chef in Baden-Württemberg, der vermutlich als erster im Frühjahr mit den Tarifverhandlungen beginnt. Huber will ebenso wie Peters in zwei Jahren an die Spitze der Metallgewerkschaft. Deshalb ist die anstehende Tarifrunde personalpolitisch pikant: Wenn sich Huber mit seinen Reformvorstellungen gegen Peters durchsetzt, dann wäre der Mann aus dem Südwesten Favorit auf die Zwickel-Nachfolge. Deshalb wird in der Tarifrunde 2002 auch die Richtung der IG Metall festgelegt. Keine Frage, mit wem Gerhard Schröder besser leben könnte.

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