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Meinung: …Amerika

Christoph von Marschall über den drastisch sinkenden Zigarettenkonsum in den Vereinigten Staaten

Gelegenheit macht Diebe. Gelegenheit macht Liebe. Und Gelegenheit macht Raucher. Jedenfalls sinkt der Zigarettenverbrauch in einem Land wie den USA, das Rauchern immer weniger Gelegenheit bietet, spürbar. In den sieben Jahren seit 1998 ist der Verkauf um 20 Prozent gesunken, in absoluten Zahlen – 378,6 Milliarden Glimmstengel 2005 – ist er so niedrig wie seit 1951 nicht mehr. Damals hatten die USA aber nur halb so viele Einwohner. In der Zigaretten-pro-Kopf-Statistik liegen die Amerikaner heute auf dem Niveau der frühen 30er Jahre.

Die Antiraucher-Lobby kann das Ausmaß ihres Erfolgs kaum fassen. Amerika ist kein Land, in dem gut gemeinte und noch so gut begründete Ratschläge für ein gesundheitsbewusstes Leben verfangen. Die aufwendigen Kampagnen für gesündere Ernährung, zum Beispiel, haben wenig gegen Fettleibigkeit, Diabetes, Herz- und Kreislaufkrankheiten ausrichten können. Beim Rauchen dagegen, kommentiert Cheryl Healton, Präsidentin der American Legacy Foundation, die neuen Zahlen in der „Washington Post“, sei das nationale Gesundheitsziel zum Greifen nahe: 2010 sollen höchstens 15 Prozent der Jugendlichen und 12 Prozent der Erwachsenen rauchen. Heute sind es noch 21,7 Prozent der High-School-Schüler und 20,9 Prozent der Erwachsenen.

Drei Gründe gelten als Schlüssel zum Erfolg: Drastisch gestiegene Preise, ein weitgehendes Werbeverbot und die Stigmatisierung der Raucher im öffentlichen Raum. 1998 hatten Tabakindustrie und Einzelstaaten einen Rechtsstreit, wer die Kosten der Gesundheitsfolgen zu tragen habe, mit einem Vergleich beendet. Die Firmen verpflichteten sich, 246 Milliarden Dollar zu zahlen – gestaffelt über die Jahre in Abhängigkeit von den Verkaufszahlen. In der Folge stieg der Preis eines Päckchens von durchschnittlich 1,74 Dollar 1997 auf heute 3,16 – mit Bundes- und Einzelstaatsteuer kommt der Kunde vielerorts auf fast fünf Dollar. Reklamebilder von Freiheit und Abenteuer sind in den USA so gut wie nie zu sehen. Rauchen gilt nicht mehr als schick, sondern als gefährlich und ein bisschen rücksichtslos. In öffentlichen Gebäuden und Büros ist es fast überall verboten – man muss eine Raucherinsel suchen oder nach draußen gehen. Zwölf Staaten haben das Rauchen auch in Restaurants und Bars untersagt. Die öffentlichen Kassen spüren die Folgen. Statt eingeplanter 6,5 Milliarden Dollar wird die Tabakindustrie in diesem Frühjahr nur 5,3 abführen. Doch dieses Finanzloch, sagt Iowas Justizminister Tom Miller, sehen wir gerne.

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