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Gastkommentar: Berlin ist sexy – und reich

Berlin übt gerade auf junge Menschen aus aller Welt eine außerordentliche Anziehungskraft aus. Die Stadt hat kein Geld, aber Potenzial. Es muss nur ausgeschöpft werden, meint IHK-Präsident Eric Schweitzer.

Berlin ist sexy. Das ist so, bleibt so. Aber physische Attraktivität muss nicht zwingend mit ökonomischer Perspektivlosigkeit einhergehen. Denn Trash- und Subkultur, Toleranz und Urbanität, der gewaltige Klangkörper der Kreativität machen nur einen Teil auf der Habenseite aus. Wer glaubt, die zweite Hälfte der Berlin-Bilanz bestehe aus einem ökonomischen No-Future, irrt gewaltig. Ohne die gegenwärtige Situation schönreden zu wollen: Ein Blick auf Zahlen und Fakten macht Spaß und Mut.

So verzeichnet Berlin seit 2005 durchgängig einen Anstieg der sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung – und zwar den stärksten Anstieg unter allen Bundesländern. Das Wirtschaftswachstum liegt seit 2007 über dem Bundesdurchschnitt. Wir hoffen natürlich, dass dies so bleibt. Jedenfalls sieht es bisher so aus, dass die Wirtschaftskrise Berlin weniger hart getroffen hat als andere Länder. Die Stadt belegt zudem, das hat eine Studie des Wirtschaftsforschungsinstituts Prognos ergeben, unter den 25 führenden Regionen mit aussichtsreichen Branchen den zweiten Platz.

Auch bei Existenzgründungen ist Berlin nach wie vor Gipfelstürmer: Berlin hat den höchsten Anteil an Selbstständigen und die höchste Gründerquote aller Bundesländer: Im ersten Halbjahr 2009 wurden in Berlin 22 700 Gewerbe angemeldet. Davon waren 20 000 Neugründungen. Das sind zwölf Prozent mehr als im Vorjahreszeitraum. Die Gewerbeabmeldungen stiegen zwar etwas stärker an, nämlich um 15 Prozent auf gut 18 200 Fälle. Doch der Saldo bleibt positiv.

Für diese Entwicklungen gibt es mehrere Gründe. So weist der Wirtschaftsstandort Berlin eine Reihe von Alleinstellungsmerkmalen auf, die ihn für Gründer besonders attraktiv machen: Mit den drei großen Berliner Universitäten und zahlreichen weiteren Hochschulen und Forschungsinstituten haben wir eine sehr hohe Dichte hochqualifizierter junger Menschen in der Stadt. Und die Bildungs- und Forschungseinrichtungen kooperieren intensiv mit der Privatwirtschaft. Durch diese Verzahnung von Wissenschaft und Wirtschaft entsteht ein innovationsfreundliches Klima. Zusätzlich hat Berlin aber auch handfeste Kostenvorteile zu bieten: Die Mieten, das Lohnniveau und die Lebenshaltungskosten sind für eine Metropole von Weltrang einfach unschlagbar günstig.

Hinzu kommen eine sehr gute Vereinbarkeit von Familie und Beruf sowie ein hoher Freizeitwert der Stadt und ein gut ausgebauter und – drücken wir jetzt einmal beide Augen fest zu – funktionierender öffentlicher Nahverkehr. Obendrein wirken die modernen, zukunftsorientierten Wachstumskerne wie Magnete: In der Gesundheitswirtschaft, Kreativwirtschaft, Photovoltaik und Telematik beobachten wir eine besonders starke Gründungsdynamik und ein hohes Wachstum.

Berlin übt gerade auf junge Menschen aus aller Welt eine außerordentliche Anziehungskraft aus. So wächst die Bevölkerung seit 2005 wieder, und es sind vor allem junge, gut ausgebildete Menschen, die nach Berlin kommen.

Ist Berlin also schon reich und sexy? Leider nicht. Trotz aller Lichtblicke gibt es eine Reihe von Problemen, die einer kreativen und innovativen Lösung harren. Wenn Berlin also heute schon reich ist, dann ist die Stadt reich an Potenzialen. Diese müssen konsequenter als bisher ausgeschöpft werden. Denn wenn Berlin sein wirtschaftlichen Chancen noch konsequenter ausschöpft, dann können wir die Stadt vielleicht wirklich einmal stolz „reich und sexy“ nennen. Darauf sollten wir alle hinarbeiten.

Der Autor ist Präsident der Berliner Industrie- und Handelskammer.

Eric Schweitzer

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