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China und die USA sind wirtschaftlich stark verflochten.

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Gastkommentar: China hängt an Amerikas Schulden

Asien-Expertin Nadine Godehardt glaubt, dass der Haushaltsstreit in den USA die Machthaber in Peking zunehmend nervös macht.

Die USA stehen am Rande des finanziellen Kollapses. Demokraten und Republikaner streiten über den richtigen Weg aus der Schuldenkrise, statt Entscheidungen zu treffen. Seit der EU-Schuldenkrise hat die Nachfrage nach amerikanischen Staatsanleihen zwar noch zugenommen. Viele ausländische Geldgeber scheinen sich darauf zu verlassen, dass die USA letztlich immer – wenn zum Beispiel 1979 auch mit Verspätung – ihren Zahlungspflichten nachgekommen sind. Doch diese Krise spricht eine andere Sprache. Führende amerikanische Ratingagenturen wie Moody’s drohen damit, die Kreditwürdigkeit der USA herabzustufen.

Allein die Möglichkeit der Zahlungsunfähigkeit schürt in den USA zudem die Angst vor den Hauptkreditgebern, vor allem dem größten Gläubiger: China. China „lauere“ schon, schrieb in der vergangenen Woche die „New York Times“, während sich die amerikanische Politik aufführe wie in einem Kindergarten. Auch in der Volksrepublik wachsen die Befürchtungen. Sie hält US-Schulden im Wert von 1,16 Billionen Dollar und fürchtet zunehmend um die Sicherheit ihres Geldes. Bereits im November 2010 hatte die chinesische Ratingagentur Dagong den Bonitätsstatus der USA von „AA“ auf „A+“ herabgesetzt. Denn die US-Regierung habe, so Dagong, keine Maßnahmen zur Verringerung des Staatsdefizits eingeleitet. Dieser Tage erwägt Dagong sogar eine weitere Herabstufung der US-Kreditwürdigkeit.

Dagegen sind die offiziellen Reaktionen aus Peking eher verhalten. „Wir hoffen darauf, dass die US-Regierung verantwortungsvolle Politiken und Maßnahmen ergreifen wird, um die Interessen ihrer Investoren zu garantieren“, so der außenpolitische Sprecher Hong Lei letzte Woche. Sonstige Reaktionen? Fehlanzeige.

Das Haushaltsdilemma der USA macht auch die aufkommende Supermacht China nervös, meint Nadine Godehardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Giga-Institut für Asienstudien in Hamburg.
Das Haushaltsdilemma der USA macht auch die aufkommende Supermacht China nervös, meint Nadine Godehardt, wissenschaftliche Mitarbeiterin am Giga-Institut für Asienstudien in Hamburg.

© R/D

Peking wartet und hofft. Dabei steht die chinesische Wirtschaft enorm unter Druck. Wenn es tatsächlich zu Verzögerungen der Zahlungen kommt, verliert der Dollar an Wert und Chinas exportabhängige Wirtschaft wird empfindliche Verluste hinnehmen müssen. Doch was können die Chinesen tun? Nicht viel. China kann den USA nicht einfach den Geldhahn zudrehen, dafür hat es bereits zu viel investiert. Etwa 70 Prozent der chinesischen Devisenreserven stecken in US-Anlagen. Zwar gibt es Versuche, die Währungsreserven stärker zu streuen, zum Beispiel nach Europa oder Japan, doch sind diese Anleihenmärkte nicht groß genug, um die stetig wachsenden chinesischen Währungsreserven (2011: 3,2 Billionen Dollar) aufzufangen. Folglich hat China keine andere Wahl, als weiterhin in den amerikanischen Schuldenmarkt zu investieren. Aus chinesischer Warte ist dies ein nicht enden wollender Teufelskreis.

Wer von den beiden Großmächten am längeren Hebel sitzt, ist hierbei nicht länger die entscheidende Frage. Die US-Schuldenkrise verdeutlicht vielmehr, wie sehr die beiden mächtigsten Staaten der Welt wirtschaftlich bereits aufeinander angewiesen sind. Dies gilt auch für die USA. Denn: „China spielt eine zentrale Rolle für die Wiederbelebung der amerikanischen Wirtschaft“, so der ehemalige US-Außenminister Henry Kissinger vor einigen Wochen in Peking.

Aufstieg einer neuen Supermacht China? Degradierung der USA zur Nummer 2? Nein! Ein Denken in Superlativen hilft beiden Seiten nicht weiter. Die Bedeutung dieser globalen Beziehung ist zu groß, um zu scheitern. So haben augenscheinlich innenpolitische Fragen wie der amerikanische Haushaltsstreit oder die Weigerung der chinesischen Regierung, ihre Währung aufzuwerten, globale Auswirkungen. Wenn sich einer dieser Riesen bewegt – oder nicht bewegt – hat das unvorhersehbare Folgen für uns alle. Die Herausforderung liegt jetzt darin, dass sowohl China als auch die USA ihre globale Verantwortung erkennen und dementsprechend miteinander – nicht gegeneinander – agieren.

Die Autorin ist wissenschaftliche Mitarbeiterin am Giga-Institut für Asienstudien in Hamburg.

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