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Gastkommentar: Wann wird Fliegen endlich teurer?

Die Senkung des Mehrwertsteuersatzes bei Hotelübernachtungen ist Quatsch. Der inländische Tourismus muss mit richtigen Maßnahmen angekurbelt werden. Mit der Bahn in den Harz zu fahren, muss für eine vierköpfige Familie billiger sein, als von Berlin aus nach Mallorca zu fliegen.

An diesem Freitag wird der Bundesrat über die Senkung des Mehrwertsteuersatzes bei Hotelübernachtungen von 19 auf 7 Prozent entscheiden. Auf Drängen der CSU war diese Steuersenkung in den schwarz-gelben Koalitionsvertrag aufgenommen worden. Mit einem Kostenvolumen von einer Milliarde Euro soll der Tourismus in Deutschland angekurbelt werden.

Viel effektiver könnte man denInlandstourismus durch eine Reduzierung der Bahnpreise und eine Beschneidung der Privilegien des Flugverkehrs fördern. Es ist für eine vierköpfige Familie noch immer billiger, von Berlin aus nach Mallorca zu fliegen, als mit der Bahn in den Harz zu fahren.

Seit Jahren und Jahrzehnten wird alles getan, um den Flugverkehr mit Steuergeldern zu subventionieren. Dass die CO2-Emissionen in der Stratosphäre drei- bis viermal so klimaschädlich sind wie auf dem Boden, hat daran ebenso wenig geändert wie die klammen Kassen der öffentlichen Haushalte. Wer Auslandsreisen künstlich billiger macht, darf sich über die daraus entstehenden Konsequenzen nicht wundern.

Im Gegensatz zur Bahn ist der Flugverkehr nämlich extrem privilegiert. Erstens: Mit der Kerosinsteuerbefreiung subventioniert der europäische Steuerzahler die Airlines jedes Jahr mit 14 Milliarden Euro, während die Bahn ihren Dieseltreibstoff versteuern muss. Allein den deutschen Steuerzahler kostet dieses Geschenk an die Airlines jedes Jahr sieben Milliarden Euro.

Zweitens: Auch der Wegfall der Mehrwertsteuer macht internationale Flugtickets billiger. Nehme ich die Bahn von Berlin nach Brüssel, brauche ich nicht nur dreimal so lange, sondern zahle doppelt so viel, denn der Staat kassiert mit. Jedes Bahnticket wird durch die Mehrwertsteuer um 19 Prozent teurer. Drittens: Trassenpreise kennt der Luftverkehr nur über Sibirien, während die Bahntickets durch hohe inländische Trassenpreise verteuert werden.

Viertens: Auch bei den Fahrgastrechten bleiben erhebliche Privilegien erhalten. Hat im Fernverkehr die Bahn eine Stunde Verspätung, bekommt der Fahrgast 25 Prozent, bei zwei Stunden sogar 50 Prozent des Ticketpreises zurück. Die Airlines dagegen müssen erst ab einer fünfstündigen Verspätung zahlen.

Fünftens: Bei der Bahn existiert eine von den Verkehrsunternehmen gegründete und finanzierte „Schlichtungsstelle“, deren Neutralität durch einen Beirat gesichert wird, in dem auch die Verbraucherverbände vertreten sind. Eine solche Institution wollen die Airlines nicht, weshalb die Fluggäste gezwungen sind, sich bei Schwierigkeiten individuell an das Luftfahrtbundesamt in Braunschweig zu wenden.

Sechstens: Die Einbeziehung des Flugverkehrs in den Emissionshandel findet in der EU erst 2013 statt und hält zudem die Privilegien für den Flugverkehr aufrecht. Während der Bahnstrom vollständig gekauft werden muss, bekommen die Airlines 85 Prozent der Zertifikate geschenkt. Dass das ungerecht ist, hat auch Horst Seehofer erkannt, als er dem entsprechenden Bundesratsbeschluss zugestimmt hat. Allerdings zieht er aus dieser Erkenntnis keine Konsequenzen.

Während in der Industrie und durch Wärmedämmung die CO2-Emissionen seit 1990 um zehn Prozent gesenkt werden konnten, sind sie im Verkehr im selben Zeitraum um 35 Prozent gestiegen. Im Luftverkehr haben sie sich sogar verdoppelt. Der Verkehr frisst also all das an Einsparung auf, was durch Milliardensummen unserer Steuergelder in anderen Sektoren erreicht wurde.

Dieser unfaire Wettbewerb passt nicht in die klimabedrohte Landschaft. Die Privilegien müssen beschnitten, sie dürfen nicht durch neue Subventionstatbestände zementiert werden. Dann könnten nicht nur Milliardensummen eingespart und das Klima geschützt werden. Auch der inländische Tourismus würde gestärkt.

Der Autor sitzt als Abgeordneter für Bündnis 90/Grüne im Europaparlament. Zuvor war er verkehrspolitischer Sprecher seiner Fraktion im Berliner Abgeordnetenhaus.

Michael Cramer

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