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Geht es nach Ulrich Pfeiffer, wird in Berlin längst nicht genug gebaut.

© dpa

Wohnungsmarkt Berlin: Ein regulierter Wohnungsmarkt ist keine Lösung

Bauen, bauen, bauen, empfiehlt stattdessen unser Gastautor Ulrich Pfeiffer. Am besten doppelt so viel wie die angestrebten 6.000 Wohnungen pro Jahr. Das sei besser als den Wählern falsche Illusionen zu machen.

In Berlin steigen die Wohnungsnachfrage und die Angebotsmieten für frei gewordene Wohnungen seit vier Jahren kräftig an und sie werden weiter steigen. Die Produktion reagiert nur mit Verzögerung. 3.650 in 2010 fertiggestellte Wohnungen waren bei Weitem zu wenig. Es baut sich weiter Übernachfrage auf, denn 2011 kamen allein aus dem Ausland im Saldo weit mehr als 20.000 Menschen nach Berlin. Die Zahl der Haushalte wächst kräftig.

Die Lücke zwischen zusätzlicher Nachfrage und Neubau wird weiter steigen, weil anders als in den letzten Jahren keine großen Leerwohnungsreserven - in der Spitze rund 100.000 Wohnungen (etwa das 20-Fache einer heutigen Jahresproduktion) - aufgebraucht werden können. Dieser Betriebsunfall der Überproduktion entstand durch völlig überzogene Subventionen aus dem lange zurückliegenden Bauboom der späten 90er Jahre.

Damals wurde die Produktion in überzogener Reaktion auf die Knappheiten nach der Hauptstadtentscheidung zeitweise auf 30.000 Wohnungen pro Jahr hochgetrieben bei damals gleichzeitig starker Suburbanisierung. Das drückte die Mieten bis etwa 2007 unter ein marktwirtschaftliches Gleichgewichtsniveau. Das Motto damals: "Wohnung sucht dringend Mieter." Heute gilt: "Zu viele Mieter suchen dringend Wohnungen." Leerreserven gibt es nur noch in weniger attraktiven Lagen.

Einen solch extremen Umschwung hat es noch nie gegeben. Der Neubau konnte sich gemessen an der Nachfrage nur unzureichend entfalten, weil die leeren Wohnungen die Ertragschancen drückten. Deshalb sollten in dieser Legislaturperiode in Berlin mindestens 50.000 Wohnungen gebaut werden. Schon ein solches völlig unzureichendes Umschalten würde einen radikalen und glaubwürdigen Politikwechsel erfordern.

Der Senat hat in der Vergangenheit zu lange versucht, die neuen Knappheiten zu verschleiern. Die Mietspiegel dämpften die Mietentwicklung. Das Schlüsselthema "Verbesserung der Rahmenbedingungen für weit mehr Neubau, insbesondere Verbesserung der Ertragserwartungen" wurde verdrängt. Die Wähler sollten nicht beunruhigt werden. Das war politisch verständlich.

Der Wohnungsmarktexperte und Aufsichtsratsvorsitzende des Forschungsinstituts empirica, Ulrich Pfeiffer.
Der Wohnungsmarktexperte und Aufsichtsratsvorsitzende des Forschungsinstituts empirica, Ulrich Pfeiffer.

© empirica ag

Doch Knappheiten kann man nicht wegdefinieren, sondern nur weginvestieren. Investoren werden ihre Planungen aber nur dann drastisch erhöhen, wenn sie erwarten, diese zusätzlichen Mengen rentabel auch zu höheren Mieten absetzen zu können. Diese Marktlogik widerspricht der politischen Beruhigungslogik.

Ein Vergleich zeigt: Seit 2007 sind die Neuvertrags- oder Angebotsmieten für frei gewordene oder neu gebaute Wohnungen in Berlin eher dreifach so stark gestiegen wie die Mietspiegelmieten. Umzüge werden immer teurer. Jeder Altmietvertrag wird zum Wertpapier. Die Angebotsmieten - Boten wachsender Knappheiten - laufen den Altvertragsmieten davon. Nur mehr Neubau kann diesen Prozess wirklich stoppen.

Zugunsten der Mieter will der Senat stattdessen die künftigen Mieterhöhungsmöglichkeiten im Rahmen des Vergleichsmietensystems dämpfen. Statt maximal 20 Prozent Steigerung in drei Jahren soll es nur noch 15 Prozent in vier Jahren geben. Ein Investor wird Wohnungsbau jedoch nur dann realisieren, wenn die Anfangsmieten einschließlich der erwarteten künftigen Steigerungen zusammengenommen in seinem Planungszeitraum eine ausreichende Rendite erbringen.

Wer die Erwartungen über die künftigen Mietanpassungen dämpft, zwingt die Investoren, schon jetzt die kalkulatorischen Neubaumieten anzuheben, damit die Gesamtrenditen stimmen. Das beschränkt wiederum die kurzfristig absetzbaren Mengen. Es gibt nur eine Realität: Die schon eingetretene Verknappung wird die Mieten weiter nach oben treiben und muss leider hingenommen werden. Dagegen mit gesetzlicher Preisdämpfung zu drohen, erschwert es, die Knappheit zu überwinden.

Regime der Wohnberechtigungsscheine? "Eine Platzpatrone"

Wo Berlins Mieten am stärksten steigen.
Wo Berlins Mieten am stärksten steigen.

© Tsp

Ähnlich unsinnig sind Vereinbarungen, die Mieterhöhungen der kommunalen Wohnungsunternehmen zu deckeln. Das begünstigt und beruhigt zwar die kommunalen Mieter, die Folgen sind jedoch eher unsozial. Niedrige kommunale Mieten würden dort häufig zu höheren Wohnflächen je Person führen, unter anderem weil Umzüge bei Verkleinerung der Haushalte abnehmen. Diese politisch begünstige Flächenhortung steigert die Knappheit am Gesamtmarkt und erhöht dabei auch die Warteschlangen. Der Preisdämpfungseffekt bei Kommunalwohnungen wird mit zusätzlichen Mietsteigerungen an anderer Stelle erkauft.

Auch die Wiedereinführung des Regimes der Wohnberechtigungsscheine für Sozialwohnungen wird eine reine wohnungspolitische Platzpatrone bleiben. In die frei werdenden Sozialwohnungen ziehen angesichts der Anspruchssteigerungen ohnehin meist Wohnberechtigte. Es wird viel Verwaltungsärger und Verwaltungslärm geben, aber keine zusätzlichen Wohnungen und keine bessere Wohnungsversorgung.

Es ist bei Engpässen natürlich geboten, aus sozialen Gründen Mietern, die Knappheitsmieten nicht tragen können, zu helfen. Berlin könnte zum Beispiel ein Zusatzwohngeld für große Familien finanzieren, die größere Wohnungen benötigen, oder könnte Mietern, die große Wohnungen frei machen, eine Prämie gewähren. Es wäre fair, den kommunalen Unternehmen zu ermöglichen, wirkliche Marktmieten zu erzielen und die zusätzlichen Erträge in sozial gezielten Hilfen zu investieren.

Auf steigende Nachfrage gibt es nur eine Antwort

Für diejenigen, die wirklich Hilfen brauchen, ist der jetzt versprochene Nieselregenvorteil in Kommunalwohnungen zu gering. Bei gegenwärtigen Umzügen in kleinere Wohnungen werden die höheren Quadratmetermieten des Neuvertrages die Einspareffekte der kleineren Fläche auffressen. Ein Umzug in eine kleinere Wohnung lohnt kaum noch. Der Wohnungsmarkt friert jetzt gleichsam ein. Statt wie in der Spitze 1997 mit rund 450.000 Umzügen innerhalb Berlins zogen 2010 nur noch knapp 320.000 Haushalte um. Die Wohnflächen der Westberliner Mieter je Person bleiben wegen der seit Langem günstigen Berliner Mieten bisher trotz allem um vier bis fünf Quadratmeter höher als die der Münchner Mieter, die um 50 Prozent, in seltenen Fällen bis 100 Prozent höhere Mieten für neue Verträge tragen.

Keine wohnungspolitische Strategie kann den Übergang in einen neuen Marktausgleich ohne Spannungen und Preissteigerungen bewältigen. Auf die aus unterschiedlichen Gründen steigende Nachfrage gibt es nur die eine soziale Antwort: "bauen, bauen, bauen". Damit die Preise dabei möglichst wenig steigen, müssen die Kosten niedrig bleiben und die Mengen steigen. Vor allem Bauland muss deutlich billiger werden. Berlin hat dafür genügend Platz.

Der Neubau darf auf keinen Fall wie gegenwärtig noch immer mit hohen Auflagen und hohen, oft dubiosen Folgekosten belastet werden. Strikte Auflagen für noch lange Zeit unrentable Energieeinsparungsinvestitionen erhöhen die Mieten im Neubau. Das leichtfertige Argument "die können sich das ja leisten" übersieht, dass die teuren Neubaumieten auch die Mieten im Bestand mitziehen, denn Wohnungssuchende konzentrieren sich dann automatisch auf preiswertere Bestandswohnungen. Damit verbreiten sich Verteuerungen von Neubaumieten automatisch im Wohnungsbestand. Energieeinsparinvestitionen sollten in ihren unrentablen Teilen überall im Neubau und im Bestand subventioniert werden, um die Preissteigerungsprozesse zu kappen.

Verteuerungen des Neubaus entstehen auch, wenn Investoren in großen Projekten Kosten für soziale Infrastruktur - zum Beispiel für Kitas - durch Verträge übernehmen sollen. Solche durch schlechte gesetzliche Bestimmungen möglichen Zurechnungen sind absurd, denn Wohnungen bekommen keine Kinder. Kinderkosten müssen kollektiv finanziert werden - nicht zuletzt deshalb, weil Kita-Investitionen bei Zuwanderung von Familien in bestehende Wohngebiete (zum Beispiel Prenzlauer Berg) aus allgemeinen Haushaltsmitteln finanziert werden müssen. Den dortigen Eigentümern wird die Vermietbarkeit ihrer Objekte verbessert, ohne dass sie zusätzliche soziale Infrastruktur mitfinanzieren.

Keine schmuddeligen Finanzierungssysteme, bitte

Auch alle Formen der Belastungen von frei finanzierten Wohnungen zugunsten von Sozialwohnungen im Rahmen größerer Projekte verteuern Neubaumieten und lenken Nachfrager in noch preiswerte Bestände um, die dadurch teurer werden. Dieser sozial gemeinte Modetrend sollte sich in Berlin erst gar nicht festsetzen. Man kann sich nur wünschen, dass der Senat sich von solchen schmuddeligen und unsozialen Finanzierungssystemen eindeutig distanziert und damit auch das Investitionsklima verbessert.

Schlüsselvoraussetzung für erhöhten Neubau sind sinkende Baulandpreise und reduzierte Belastungen des Neubaus durch weniger Zurechnungen öffentlicher Investitionen und weniger Auflagen. Die Wohnungspolitik versucht noch immer zu regulieren, wo massiv investiert werden muss. Seit dem Ersten Weltkrieg gab es keinen einigermaßen funktionsfähigen Wohnungsmarkt. Die Lösung mit einem völlig überteuerten sozialen Wohnungsbau mit Kostenmieten für jedes Objekt hat ausgedient.

Keine Illusionen bei Wählern schaffen

Kräne in Berlin: Die deutsche Baubranche hat ihren Umsatz 2011 massiv gesteigert.
Kräne in Berlin: Die deutsche Baubranche hat ihren Umsatz 2011 massiv gesteigert.

© dpa

Heute bleibt nur der Weg, einen wirklich leistungsfähigen Neubaumarkt leistungsstark zu machen und durch Wettbewerb dafür zu sorgen, dass Wohnungen auf Dauer nicht knapper werden. Politisch erzeugte Verteuerungen des Neubaus, die einer versteckten Neubausteuer gleichkommen, wären unvertretbar.

Diese Positionen lassen sich durch die drastischen Unterschiede auf den einzelnen regionalen Wohnungsmärkten der Bundesrepublik verdeutlichen. Dortmund und Bremen haben seit Langem durch eine expansive kostengünstige Neubaupolitik, hohen Wettbewerb und günstige Produktionsbedingungen preiswerte Märkte mit Angebotsmieten im Neubau zwischen 7,60 und 8 Euro pro Quadratmeter geschaffen - gegenüber 9 Euro pro Quadratmeter in Berlin.

Heidelberg, Regensburg oder Freiburg - keine wirklichen Großstädte - haben absurd hohe Angebotsmieten zwischen 9 und 11 Euro je Quadratmeter herbeireguliert. Wirklich absurd ungünstig sind die Produktionsbedingungen in München mit Angebotsmieten um 13 Euro pro Quadratmeter bei extremer Baulandverknappung und hohen Belastungen durch öffentliche Folgeinvestitionen. Die reichen Münchner haben sich wohnarm reguliert.

Jetzt müssen - das ist möglich! - nachhaltig sozialere Märkte durch effektiven Neubau geschaffen werden. Administrierte Preisdämpfungen im Bestand werden das Gegenteil erreichen. Auch die jetzt angedachten Subventionsprogramme sind weniger wirksam, als die Zahl der geförderten Wohnungen signalisieren. Zwar werden die kommunalen Wohnungsunternehmen kräftig zusätzlich investieren können, doch die erhöhte Programmförderung verdrängt zum Teil auch frei finanzierten Mietwohnungsbau. Die Mieten werden deshalb weiter steigen und dennoch deutlich niedriger bleiben als in Hamburg und München.

Der Mangel wurde zu lange geleugnet

Günstige Wohnungsbaumärkte bleiben auch dank offener Arbeitsmärkte nach Osteuropa in Berlin noch lange bestehen. In Berlin bleibt dank grundsätzlich günstiger Angebotsbedingungen - die allerdings politisch aktiviert werden müssen - auf Dauer eine gute und preiswerte Wohnungsversorgung möglich. Der Betriebsunfall, nach der lang anhaltenden Überproduktion und daraus resultierenden Leerständen die Neubauproduktion zu schwächen, hat neuen Mangel entstehen lassen, der zu lange geleugnet wurde.

Jetzt muss tatsächlich viel mehr gebaut werden - statt den angestrebten 6.000 Wohnungen pro Jahr besser das Doppelte. Dann könnte der Mangel verschwinden. Kostensenkungen und günstige Investitionsbedingungen werden zu Schlüsselstrategien.

Eine auch nur teilweise Rückkehr zu regulierten Wohnungsmärkten wie zu Mauerzeiten sollte erst gar nicht versucht werden. Hier würden Wählern Illusionen verkauft, die sie nach der Berliner Wohnungsmarktgeschichte vielleicht nur zu gern hören wollen. Berlin braucht aber wohnungspolitischen Realismus, der durch günstige Investitionsbedingungen beachtliche Erfolge erzielen kann.

Der Autor ist Wohnungsmarktexperte und Aufsichtsratsvorsitzender des Forschungsinstituts Empirica

Ulrich Pfeiffer

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