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Meinung: Annan in Berlin: Uno und Europa in Sorge vereint

Man muss sie einfach lieben. Die Uno schlichtet Streit, hilft Kindern, organisiert Entwicklung.

Man muss sie einfach lieben. Die Uno schlichtet Streit, hilft Kindern, organisiert Entwicklung. Kriegsverbrecher stellt sie vor Tribunale. Den Deutschen ist sie besonders sympathisch, weil sie Ideale hat und praktisch arbeitet. Weltverbesserung, straff verwaltet: Das ist die Verlängerung all dessen, woran die alte Bundesrepublik glaubte. Hinzu kam höchstens mal ein leicht bewaffneter Blauhelm, der sich selbstlos zwischen Konfliktparteien stellte. Doch der Traum namens Uno ist ausgeträumt. Denn so, wie die deutsche Außenpolitik sich auf eine schmerzhafte Sinn- und Rollensuche begeben musste, so steckt auch die Uno in der Krise.

Kofi Annan hat es vor dem Bundestag eingeräumt: Schlecht gerüstet sei seine Organisation, zu zersplittert, zu abhängig von ihren Mitgliedern. Es fehle an den Mitteln, umfassend zu konzipieren, erst recht an den Möglichkeiten, entsprechend zu handeln. Doch beides wird von ihr erwartet. Die Uno, die eigentlich der große Sieger der Zeit nach dem Kalten Krieg hätte werden können, droht zerrieben zu werden: zwischen einer Globalisierung, die vielen nicht passt und gegen die sie nichts ausrichten kann, und einem Unilateralismus, der in Krisenzeiten alles wegzuwischen droht, was an Welt-Foren aufgebaut wurde.

Trotz des Glücksfalls Annan ist der Krieg gegen Al Qaida zur Krise des Multilateralismus geworden. Über die nächsten Phasen im Kampf gegen den Terror entscheidet Washington - da mag Annan in Berlin noch so sehr auf die Entscheidungshoheit der Uno pochen. An Lob und hohen Erwartungen fehlt es nicht, doch ohne eigene Instrumente wird die Uno immer wieder selbst instrumentalisiert. Das wichtigste Mitglied, die USA, hält überhaupt nichts vom Gewaltmonopol der Weltorganisation ohne eigene Streitkräfte. Der bleibt die Einsicht, dass sie oft nur ein Werkzeug ist, und ihr Schicksal ist ins Belieben jener gestellt, die sie nutzen wollen - oder nicht. Mal gerufen, mal verschmäht: Selten war der Mangel an Souveränität offenkundiger als heute. Hier treffen sich im Moment Europa und die Uno, in Sorge vereint.

Jetzt erhoffen sich viele, Annan möge einen Feldzug gegen Saddam verhindern. Es steht zu erwarten, dass diese Hoffnung enttäuscht wird. Denn ehrliche Inspektionen, die Alternative zum Krieg, lässt der Irak nicht zu. Und der Uno, die schon in Afghanistan und in Nahost keine allzu große Rolle spielte, fehlen die Mittel, Saddam zu zwingen. Im Großen also, wenn es um Krieg und Frieden geht, ist Realismus statt Romantik vonnöten.

Eine selbstgemachte Glaubwürdigkeitskrise kommt hinzu. In West-Afrika wird der Uno systematischer Missbrauch Schutzbefohlener vorgeworfen. Der Sex-Skandal beeinträchtigt die moralische Integrität der Uno. Die steckengebliebene Sicherheitsratsreform untergräbt derweil ihre Legitimität. Der Rat ist weiterhin ein Klub der Siegermächte des Zweiten Weltkrieges. Dass jedes der fünf ständigen Mitglieder aus Egoismus eine Verwässerung seines Einflusses vermeiden möchte, ist gleich verständlich wie falsch. Die heutige Welt bildet das Entscheidungsgremium jedoch nicht ab.

Auf Krisen folgt meist Hoffnung. Was die Uno betrifft, notierte einst ein junger Reporter seine "Entmutigung, was unsere Chancen betrifft, aus diesem Krieg einen dauerhaften Frieden zu formen". Das war im Mai 1945, als die Uno in San Francisco geboren wurde, um den nächsten Weltenbrand zu verhindern. Der junge Reporter hieß John F. Kennedy. Auch nach dem Kalten Krieg sollte die Uno die Friedensdividende nutzen können. Der 11. September hat diese Hoffnung vorerst zunichte gemacht.

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