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Meinung: „Assimilation ist ein hinterhältiges Denkmodell“

Die Ärmel hochgekrempelt, einmal mit der Hand über die raspelkurzen Haare gefahren, und los geht’s: Während man selbst noch an der Frage feilt, hat Stephan J. Kramer schon drei Antworten gegeben.

Die Ärmel hochgekrempelt, einmal mit der Hand über die raspelkurzen Haare gefahren, und los geht’s: Während man selbst noch an der Frage feilt, hat Stephan J. Kramer schon drei Antworten gegeben. Der 37 Jahre alte Generalsekretär des Zentralrats der Juden kommt schnell zum Punkt, man hat ja nicht ewig Zeit und er schon gar nicht. In den vergangenen Monaten verging keine Woche, in der Stephan Kramer nicht irgendetwas verurteilt hat: die MTV-Serie „Popetown“ und die Fremdenfeindlichkeit der Deutschen, das exklusiv christliche Erziehungsbündnis der Familienministerin und die Weigerung des Innenministers, den iranischen Präsidenten von der WM auszuladen.

Der studierte Jurist und Volkswirt denkt schnell und redet eloquent und mischt sich nicht nur ein, weil das ein Sprecher des Zentralrats eben muss. Er will etwas bewirken. Zum Beispiel, dass die Juden in Deutschland selbstbewusst ihren Glauben leben, sich nicht wegducken, sich aber auch nicht vereinnahmen lassen. Die Ausstellung „Weihnukka“, in der das Jüdische Museum Parallelen zwischen Weihnachten und Chanukka aufzeigte, hat ihm nicht gefallen. So etwas komme der „nichtjüdischen Sehnsucht entgegen, Widersprüche und Differenzen zwischen Judentum und Christentum aufzulösen“. Assimilation aber ist für Kramer ein „hinterhältiges Denkmodell“, die Juden müssten vielmehr um „kulturelle und religiöse Emanzipation kämpfen“. Selbstzerfleischende Streitereien in den eigenen Reihen, etwa in der jüdischen Gemeinde in Berlin, hält er für „schädlich“. Um sie zu beenden, wäre er bereit, den Gemeindevorsitz zu übernehmen.

Dass Assimilation nicht der richtige Weg ist, sehen auch viele Muslime so, mit denen Kramer immer mehr Gemeinsamkeiten entdeckt. Auf europäischer Ebene will er mit ihnen gemeinsam gegen Antisemitismus und Islamophobie vorgehen. Den Pragmatismus für solch ungewöhnliche Allianzen hat er schon als Schüler in den USA gelernt. Als Student hat er sich in Omaha, Nebraska, so sehr für andere eingesetzt, dass man ihn zum Ehrenbürger machte. Sein Motto: „Es kommt auf die Ergebnisse für die Menschen an.“ Den Mut zum Neuen trainiert er beim Paragliding. Dass er noch viel vorhat, gibt Kramer gerne zu. Dass er Paul Spiegel als Präsident des Zentralrats nachfolgen könnte, verneint er entschieden. Es ehre ihn, dass man ihm dieses Amt zutraut, sagt er, aber er sei glücklich als Generalsekretär und werde es auch bleiben. Einstweilen zumindest.

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