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Meinung: Asyldebatte: Willkommen in Deutschland!

Es gibt Fortschritte, die kommen als Beharrung, manche sogar als Rückschritt einher. Für die politische Positionsbestimmung der CSU ist diese Sonderform der Dialektik seit einiger Zeit geradezu zum Markenzeichen geworden.

Von Robert Birnbaum

Es gibt Fortschritte, die kommen als Beharrung, manche sogar als Rückschritt einher. Für die politische Positionsbestimmung der CSU ist diese Sonderform der Dialektik seit einiger Zeit geradezu zum Markenzeichen geworden. Vordergründig bewegen sich die Christsozialen auf traditionellen konservativen Pfaden; "in Lederhose", wie die bekannte Selbstdefinition sagt. Das altvordere Beinkleid lenkt aber den Blick davon ab, dass die Partei in Wirklichkeit in eine Richtung marschiert, die sie selbst vor kurzem noch als Linksruck verdammt hätte.

Beim Beschluss der Christsozialen zum Thema "Zuwanderung und Asyl" ist die Rhetorik gewohnt krachledern - von "Grundgesetzänderung" ist da die Rede, und über Zuwanderung wird stets nur mit dem Zusatz "... -begrenzung" debattiert. Aber hinter all diesem Wortnebel gesteht auch die CSU jetzt zu, dass ein Zuzug von Menschen aus anderen Ländern dabei helfen könnte, das Problem des Alters- und Bevölkerungsaufbaus der deutschen Gesellschaft zu lösen. Dies zuzugestehen, ist für eine Partei, die Ausländer bisher eher unter dem Aspekt der Inneren Sicherheit respektive der Bedrohung einheimischer Arbeitsplatzbesitzer betrachtet hat, ein beachtlicher Fortschritt.

Es rundet das Bild, dass im gleichen Beschluss die CSU einer besseren Vereinbarkeit von Familie und Beruf das Wort redet - da wird ohne großes Aufhebens das alte Dorfidyll von der Frau als einzig befähigter Hüterin von Herd und Kindern gegen das Bild der berufstätigen Mutter getauscht, die ihren Nachwuchs auch mal in der Krippe abgibt.

Die CSU ist auf dem Weg zur theoretischen Anerkennung der Realität ein Stück vorangekommen. Diese Gesellschaft überaltert, ihren Sozialkassen fehlen bald die Beitragszahler; beides ist nicht dadurch zu ändern, dass man traditionelle Werte hochhält. Also sind arbeitende Mütter auf einmal willkommen und arbeitswillige Ausländer auch, sofern sie Qualifikationen mitbringen, die in den Bedarf der deutschen Wirtschaft passen und hierzulande Mangelware sind.

Diese Erkenntnis wird allerdings dadurch wieder etwas entwertet, dass die CSU darauf besteht, jedweden Ausländer-Zuzug als eine Einheit zu betrachten. Die Quotenregelung, die die Christsozialen anstreben, soll nach dem Prinzip kommunizierender Röhren funktionieren. Etwas vereinfacht gesagt: Sinkt die Zahl der Asylbewerber, werden Plätze für ökonomisch erwünschte High-tech-Zuwanderer frei; umgekehrt verkleinern steigende Asylbewerberzahlen den Spielraum für Computerspezialisten.

Das klingt logisch, ist es aber nicht: Wenn der deutschen Wirtschaft und den deutschen Sozialkassen eine begrenzte Zahl von Einwanderern gut tut, dann müssen wir diese Menschen ins Land lassen. Und zwar völlig unabhängig davon, ob andere Menschen aus anderen Gründen ebenfalls hierher kommen. Die Überschrift "Ausländer" täuscht darüber hinweg, dass das Konzept einer Zuwanderung aus ökonomischem Eigeninteresse die herkömmliche Trennung zwischen Zuwanderern und Einheimischen aufhebt. Dies umso mehr, je mehr wir die Zugewanderten zur Integration drängen. Die Konsequenz des CSU-Beschlusses nämlich lautet: Deutschland wird ein Einwanderungsland. Mal sehen, wann die Christsozialen sich das laut zu sagen trauen.

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