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Berlin hat mit dem zweigliedrigen Schulsystem mehr Bildungsgerechtigkeit geschaffen.

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Berlins Schulen: Auf dem Weg - nicht am Ziel

Dieses Schuljahr wird stressig für Schüler, Eltern, Lehrer – und für Klaus Wowereit. Ob der Regierende Bürgermeister nach dem 18. September weitermachen darf, hängt auch davon ab, wie reibungslos 322 000 Schüler ins neue Jahr starten.

Ein Jahr der Reformen wird auch dieses – wieder einmal nach so vielen Veränderungen, die Schüler, Eltern und Pädagogen gleichermaßen belastet haben. In den Grundschulen wird es ernst mit Qualitätspaket und verbindlichem Grundwortschatz, und in den Oberschulen machen zwei Jahrgänge das Abitur – erstmals mit Turbo nach zwölf Jahren. Neu ist, dass Eltern mehr über die Qualität der Schule erfahren, weil Inspektionsberichte veröffentlicht werden.

Die Dauerbaustelle Bildung hat die Schulen in einen fiebrigen Erregungszustand versetzt. Der permanente Veränderungsdruck macht es auch engagierten Lehrern immer schwerer, Wissen zu vermitteln und Persönlichkeiten zu bilden. Es zeigt sich aber, dass die Anstrengungen notwendig und überwiegend sinnvoll sind; dass an so vielen Stellen gearbeitet wird, unterstreicht nur, dass Berlin zu spät mit dem Reformweg begann.

Doch die Zeit des Umbaus geht zu Ende; der Rohbau eines neuen Bildungssystems steht. Das bleibt das Verdienst des scheidenden Senators Jürgen Zöllner. Die Hauptschule ist Geschichte, die Sekundarschule hat ihre Bewährungsprobe bestanden. Anders als befürchtet gab es keinen Ansturm aufs Gymnasium, sondern eine große Nachfrage aus Familien für das Sekundarschul-Abitur. Auch das umstrittene Auswahlverfahren für Oberschulen hat sich als gerichtsfest erwiesen. Zudem gibt es Chancen, dass dies Jahr nur wenig Unterricht ausfällt, weil frühzeitig Lehrer eingestellt wurden.

Berlin hat mit dem zweigliedrigen System mehr Bildungsgerechtigkeit geschaffen: Alle Wege führen zum Abitur, auf dem Gymnasium nach zwölf, auf der Sekundarschule nach 13 Jahren – jeder Schüler nach seinen Talenten und seinem Tempo. Wenn die Bundes-CDU nun auch die Hauptschulen abschaffen will zugunsten der zweigliedrigen Schule, markiert dies ein Ende der ideologischen Schlacht.

Fertig ist das Bildungsgebäude nicht. Die Integration der Bildungsfernen ins Lernsystem bleibt die große Aufgabe. Es besteht die Gefahr, dass in sozialen Brennpunkten aus der neuen Sekundarschule die alte Restschule wird, an der sich hoffnungslose Schüler sammeln. Damit Berlin bei bundesweiten Vergleichstests nicht weiter letzte Plätze belegt, muss noch viel geschehen. Der Ausbau der Ganztagsbetreuung kann Kindern aus Migrantenfamilien zusätzliche Bildungsimpulse und Integrationsanreize bieten. Kostenlose Kitajahre und verpflichtender Deutschunterricht ab vier Jahren bei Sprachmängeln sind richtig; es fehlt aber an Plätzen und den Erziehern die Qualifikation.

Viele Eltern zweifeln an der Qualität der Schulen – es ist ein Misstrauensvotum, dass jedes zehnte Kind eine private Einrichtung besucht. Wer erlebt, dass beim jahrgangsübergreifenden Lernen die Kinder unfreiwillig zu Hilfslehrern gemacht werden, weil die versprochenen Zusatzkräfte fehlen, kann den Unmut verstehen. Denn daran krankt Berlins Schule: Vernünftige Reformen scheitern, weil sie starten, obwohl das Geld fehlt. Das fehlt auch, um Sozialpädagogen für schwierige Schüler einzustellen oder Gebäude zu sanieren. Der Senat hat – Achtung, Wahlkampf! – einen Haushaltsentwurf vorgelegt, der mehr Geld für Bildung vorsieht. Wer weiß, wie viel nach der Wahl davon übrig bleibt. Senator Zöllner muss das nicht mehr verantworten.

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