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Malte Lehming

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Ein Euro pro Woche

Malte Lehming über die nationale Benzinpreis-Hysterie

Lassen Sie uns schnell mal den Taschenrechner rausholen. Im Schnitt verbraucht ein PKW acht Liter Benzin auf 100 Kilometer. Wenn in den Tank 40 Liter passen, reicht das also für 500 Kilometer. Wer nicht gerade auf Langstrecke quer durch Deutschland in den Urlaub fährt oder Berufspendler ist, sondern pro Arbeitstag in einer Stadt wie Berlin 25 Kilometer hin und her fährt, muss folglich ein Mal pro Monat voll tanken. Wenn das Benzin nun um zehn Cent teurer wird, zahlt er bei einem 40-Liter-Tank vier Euro pro Monat mehr. Das macht ein Euro pro Woche, 14 Cent am Tag.

Und nun setzen wir diesen einen Euro pro Woche in Relation zur nationalen Empörung über die alljährlich zur Osterzeit steigenden Benzinpreise. Ganz Deutschland probt mal wieder den Aufstand an der Zapfsäule. SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles spricht von einem „traurigen Spiel“ und „Geldschneiderei“, auch Bundesverkehrminister Peter Ramsauer (CSU) solidarisiert sich: „Die Wut der Autofahrer kann ich gut verstehen.“ Selbst Bundeswirtschaftsminister Rainer Brüderle (FDP) fordert, dass den Ölmultis endlich „auf die Finger geschaut“ wird.

Ein Euro pro Woche. Dafür stehen deutsche Autofahrer nun stundenlang vor Billigtankstellen an, überqueren die Grenze nach Polen oder Tschechien, um voll zu tanken, studieren intensiv regionale Preisunterschiede, als gelte es, den ganz persönlichen Ruin abzuwehren. Gleichzeitig leisten sie sich, ohne mit der Wimper zu zucken, Familienbesuche im Zoo und im Spaßbad, obwohl sie für die Eintrittsgelder den Tank ihres Autos fast zweimal füllen könnten. Die Maß Bier auf dem Oktoberfest kostet 8 Euro 50, der Cafe bei Starbucks vier Euro. Aber wehe, man soll pro Tag 14 Cent mehr für Benzin ausgeben! Dann offenbart sich der Deutschen Herz als Mördergrube.

Ein Euro pro Woche. In vielen Branchen wir ja jetzt ein Mindestlohn eingeführt. Er liegt im Schnitt bei 8 Euro 50. Wer sich mit dem Thema Benzinpreiserhöhung und der Frage, wie er an billiges Sprit kommt, eine Stunde lang befasst, investiert also, ökonomisch betrachtet, den Gegenwert einer Arbeitsstunde zum Mindestlohn, also 8 Euro 50. Ist eine Investition in dieser Höhe, um einen Euro pro Woche einzusparen, in irgendeiner Weise vernünftig? Natürlich nicht. Insofern belegt die nationale Benzinpreis-Hysterie nur, warum der Abstieg dieses Landes unaufhaltsam ist.

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