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Andrea Dernbach

© Kitty Kleist-Heinrich

Auf den Punkt: Genug geschrien

Andrea Dernbach über Muslime in Deutschland

Es gibt in der Integrationsdebatte merkwürdige und unerklärliche Leerstellen: Man streitet verbissen über Zwangsehen; dabei hat kein Statistiker, keine Behörde sie je auch nur seriös geschätzt. Man diskutiert lange und laut über den Zusammenhang von Bildung und Migrationshintergrund, dass Bildung der Schlüssel zur Integration sei – und weiß doch rein gar nichts darüber, Migranten kennt die Bildungsstatistik nämlich nicht. Vor Jahren wurden endzeitliche Schlachten um den deutschen Pass für hier geborene Kinder geführt. Jetzt stehen die ersten Kinder, für die die sogenannte Optionsregel gilt, vor der Frage, ob sie Deutsche bleiben wollen. Doch keiner hat daran gedacht, deren Entscheidungen zu dokumentieren.

Seit dieser Woche kennt Deutschland wenigstens die Zahl seiner Muslime. Zwischen 3,8 und 4,3 Millionen sind es, deutlich mehr als die früher angenommenen 3 bis 3,5 Millionen, in Bevölkerungsanteilen ausgedrückt also etwa fünf Prozent. Und die Forscher, die die repräsentative Studie für das Nürnberger Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im Auftrag der Deutschen Islamkonferenz erstellt haben, wissen jetzt auch etwas besser, was sie denken und wollen: Die Mehrheit der Muslime ist gläubig, mehr als zwei Drittel von ihnen wollen islamischen Religionsunterricht, das öffentlich hoch umkämpfte Kopftuch tragen 70 Prozent der Frauen nie und das ebenso umkämpfte Abmelden der Mädchen von Klassenfahrten und Sportunterricht ist kein Massenphänomen. Einerseits. Andererseits sind die Bildungsdefizite gerade unter der weitaus größten Gruppe der Türken deutlich und dort besonders unter den Frauen der ersten Generation.

Gut, dass wir endlich etwas mehr wissen. Es sollte noch mehr werden, aber es reicht schon für ein Fazit, das der verbreiteten Hysterie die Spitze nehmen könnte: Es gibt noch einiges zu tun. Aber das ist auch zu schaffen.

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