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Auf den Punkt: Gewalt hat keine Botschaft

Jost Müller-Neuhof über das Urteil im Mordfall Marwa

Es ist die Höchststrafe, die der an das Grundgesetz gebundene deutsche Staat zu verhängen hat. Lebenslang soll der Russlanddeutsche Alex W. hinter Gitter, der nun auch als das bezeichnet werden darf, was er ist: Als der Mörder von Marwa al-Scherbini, einer jungen, gebildeten, schwangeren und voller Hoffnung und Plänen ins Land gekommenen Ägypterin.

Es ist ein Urteil, das man auch in die Heimat der Getöteten vermitteln kann, aber darauf kam es nicht an im Prozess vor dem Dresdner Landgericht. Es ging auch nicht darum, im ersten anti-islamischen Mord in der Bundesrepublik mit harter Hand die richtige, weil ausländerfreundliche Gesinnung zu zeigen. Es ging, wie in jedem vernünftigen Strafprozess, zuallererst darum, eine dieser Untat und der Schuld des Täters angemessene Strafe zu finden. Viel spricht dafür, dass es gelungen ist. Alex W. ist gewiss ein beschädigter Mensch, aber dieser Schaden steht in keinem Verhältnis zu dem, den er selbst anrichtete – und dies berechnend, im Wissen um die hochgradige Aggression und Reizbarkeit seiner zerstörten Seele.

Ein Mord aus niedrigen Beweggründen, aus Hass und Wut. Aber wohl eher keiner aus politischer Räson. Alex W. ist so wenig die Spitze eines Eisbergs antiislamischen Ressentiments wie der Mörder des Islamkritikers Theo van Gogh ein Sendbote des kritisierten Islam war. Es sind Menschen auf Abwegen, sie haben jedes Ziel verloren. Man würde ihre düsteren Motive adeln, wenn man sie mit Politik oder Religion verbindet.

Politisch war der Prozess dennoch. Unter den deutschen Muslimen finden sich – wie unter deutschen Nichtmuslimen – Schulverweigerer, Erziehungsversager, Nichtwähler, Radikale, Gewalttäter, Spinner und Sprachunmündige. Mit dem Islam hat das wenig zu tun. Doch müssen „die Muslime“ stets herhalten, wenn von all diesen Themen in Politik und Medien die Rede ist, ganz zu schweigen von der andauernden Beschwörung der von ihnen angeblich ausgehenden Terrorgefahr. Menschen, Gläubige zumal, leiden unter solchen Fingerzeigen und Vorurteilen. Wenn einige den Marwa-Prozess jetzt nutzen, um darauf aufmerksam zu machen – können wir es ihnen wirklich verübeln?

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