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Patricia Wolf

© Doris Spiekermann-Klaas

Auf den Punkt: Glückssache Bildung

Patricia Wolf über die neuen Zugangsregelungen zum Gymnasium

Geht es nach Berlins Schulsenator Jürgen Zöllner, wird künftig das Los im Zweifelsfall entscheiden, ob ein Kind sein Wunschgymnasium besuchen darf. Geplant ist, dass mindestens 50 Prozent der Plätze einer Klasse über Losverfahren vergeben werden, wenn in einem Gymnasium größere Nachfrage als Angebot herrscht. Die anderen Plätze werden zu 40 Prozent vom Schulleiter ausgewählt, 10 Prozent sind für besondere Härtefälle reserviert. Bisher gültige Auswahlkriterien wie Wohnortnähe sollen abgeschafft werden, der Elternwille wird allein entscheidend sein. Wie ungerecht! Wie absurd!

Im Namen einer Idee von sozialer Gerechtigkeit werden Schüler womöglich an großer Ungerechtigkeit oder an Pech scheitern. So ist es durchaus vorstellbar, dass ein ganz guter Schüler nicht sein Wunschgymnasium in der Nähe seines Zuhauses besuchen darf. Weil ein schlechter Schüler den begehrten Platz durchs Los gewinnt, dessen überehrgeizige Eltern eben nicht der Empfehlung der Grundschule folgen und partout ihren Willen durchsetzen wollen. Doch was wird aus den Schülern, die es auch nach dem Probejahr nicht schaffen? Es wird geschätzt, dass zwischen 20 und 25 Prozent eines jeden Jahrgangs die Ziele nicht erreichen werden. Die Abbrecher jedenfalls werden sich immer als Versager fühlen.

Zugegeben: Hinter den Plänen steckt ein richtiges Motiv. Denn es ist bekannt, dass gerade Deutschland sich dadurch hervortut, dass es für Kinder aus sozial benachteiligten Familien besonders schwierig ist, einen guten Schulabschluss zu erreichen. Deshalb das Argument, man müsse soziale Inseln an den Gymnasien verhindern, um eine höhere Durchlässigkeit zu erreichen. Doch sind die geplanten Zulassungsmodalitäten wirklich der richtige Weg? Denn steht der Schüler vor der Entscheidung, ob Gymnasium oder nicht, ist er in seiner Schullaufbahn schon einen weiten Weg gegangen. Doch muss man nicht vielmehr schon viel früher damit beginnen, die Kinder aus benachteiligten Elternhäusern durch geeignete Förderung in ihren Fähigkeiten zu stärken? So, dass sie durch gute Leistungen und nicht durch ein Los dazu befähigt werden, gute Schüler in einem Gymnasium zu werden.

Vorstellbar ist doch beispielsweise ein Modus mit einem Punktesystem auf der Basis des bisherigen Zugangssystems, was im Großen und Ganzen so schlecht nicht funktionierte. Da könnten Kriterien wie Empfehlung der Grundschule, Elternwille, Notendurchschnitt und Wohnort einfließen. Und war es nicht definiertes Ziel der Berliner Schulreform, sowohl die Gymnasien als auch die Sekundarschulen in ihrem jeweiligen Profil zu stärken? Zu befürchten ist, dass das genaue Gegenteil eintritt und die Profile verwässern. Zu befürchten ist, dass die Sekundarschule in den Augen der Eltern und Schüler zur Restschule verkommen wird. Und wurde nicht nach Pisa festgestellt, dass das Leistungsniveau der Berliner Schüler im Vergleich zu anderen Bundesländern erschütternd niedrig liegt? Und dass es deshalb dringend geboten sei, die Standards nicht immer weiter zu senken? Die geplante Reform wird aber genau dieses Ergebnis haben.

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