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Fabian Leber, Redakteur Meinung -

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Hypothek für die Jungen

Fabian Leber über das neue Schuldenverbot

Politikern wird oft unterstellt, nur an ihre Gegenwart zu denken. Dabei ist ein solches Verhalten rational verständlich: Politische Mandate werden als Zeitarbeitsverträge vergeben. Der Wähler handelt nicht anders: Maßgeblich ist für ihn, was zum Zeitpunkt der Wahl herausspringt. Deshalb zieht auch keine Partei mit dem Versprechen umfassender Steuererhöhungen für alle in den Wahlkampf - das wäre nur das sicherste Rezept zum Stimmenverlust. Für die Politik war es bisher immer attraktiver, sich Geld zu leihen, statt sich die Summe bei den Wählern zu besorgen

Insofern gehört schon Mut dazu, wenn die Politik in Gestalt der großen Koalition nun ihr schlechtes Gewissen öffentlich macht. Abenteuerlich wird es allerdings, wenn dieses schlechte Gewissen auch gleich noch ins Grundgesetz geschrieben werden soll. Genau das wird gerade mit der Schuldenbremse versucht, die heute im Bundestag verabschiedet wurde. Sie müsste besser als Schuldenverbot bezeichnet werden.

Zu besichtigen ist dabei der Versuch einer Generation von 40- bis 70-Jährigen, die ihr desaströses Vermächtnis mit denselben Methoden beheben will, mit denen sie es angerichtet hat. Bis Ende der 60er Jahre war Deutschland praktisch schuldenfrei. Dann kam die große Finanzreform und mit ihr begann die wahnwitzige Planungseuphorie der 70er Jahre. Was die Schulden betraf, gab es kaum ein Halten mehr - und erstaunlicherweise setzte die schwarz-gelbe Regierung unter Helmut Kohl genau denselben verantwortungslosen Kurs fort, der schon unter Willy Brandt und Helmut Schmidt begonnen hatte.

Mit dem Schuldenverbot versuchen die 40- bis 70-Jährigen, ihr schlechtes Gewissen zu besänftigen. Ihnen scheint nicht aufzufallen, dass sie die Generation der Kinder und Enkel in deren Handlungsmöglichkeiten nur noch weiter einschränken. Als ob der Schuldenberg von 1,5 Billionen Euro, der hinterlassen wird, nicht schon beschämend genug ist, wird den Jungen nun auch noch grundgesetzlich vorgeschrieben, was sie in Zukunft zu tun und zu lassen haben. Das ist in etwa so, als wollten Eltern auch dann noch die Kontoauszüge ihrer Kinder kontrollieren, wenn diese längst schon volljährig sind und ihr eigenes Geld verdienen

Übersehen wird, dass Schuldenmachen durch den Staat nicht per se etwas Schlechtes ist. Es wäre töricht, würde ein Finanzminister immer wie ein knausriger Vereinkassierer handeln. Staatsschulden können zum Beispiel dann sinnvoll sein, wenn sie für Investitionen verwendet werden und die Rendite daraus größer ist, als die Zinsen, die der Staat zahlen muss. Mit Investitionen in Bildung zum Beispiel lassen sich Renditen von bis zu zehn Prozent erzielen. Die Zinslast, die der Staat tragen muss, liegt dagegen meist weit unter dieser Marke. 

Wohin es führt, wenn nur noch blind gespart wird, lässt sich gerade in Berlin gut besichtigen. Etwa 95 Prozent muss das Land für Dinge aufwenden, zu denen es gesetzlich verpflichtet ist - vor allem für Sozialtransfers und Personalkosten. Gleichzeitig sollen keine neuen Schulden mehr gemacht werden - da ist es kein Wunder, dass zum Beispiel die Bildungsausgaben weit hinter anderen europäischen Staaten zurückbleiben.

Mit dem neuen Schuldenverbot wird es noch schwieriger werden, in die Zukunft zu investieren. Lieber sollte den Jungen die Freiheit gelassen werden, aus den Fehlern ihrer Eltern zu lernen - und daraus selbstverantwortlich Schlüsse zu ziehen. 

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