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Jost Müller-Neuhof

© Kai-Uwe Heinrich

Auf den Punkt: Kündigungsrepublik Deutschland

Jost Müller-Neuhof über Buletten-Diebe und NPD-Spinner

Die Kanzlerin ist gut beraten, Forderungen der Arbeitgeber in Sachen Kündigungsschutz zu widerstehen. Denn wer mit Kündigungen anfängt, handelt sich schnell Streit ein. Und Streit sollte gerade  niemand wollen, zumal in der Krise. Kündigungen sind seit „Emmely“, der Berliner Supermarktkassiererin, die wegen der Unterschlagung von 1-Euro-30-Pfandbons gehen musste, ein Thema mit erheblichem Wallungswert. Das macht sie doppelt riskant.

Mancher Arbeitgeber ist leider nicht so klug wie die Kanzlerin. In Dortmund feuerte jetzt ein Verband seine Sekretärin, weil sie eine Frikadelle vom Büffet für den Chef verkostete. Drama! Vertrauensverlust! Das ist die Standardvokabel, die als Grund in solchen Fällen herzuhalten pflegt. Das große Wort vom Vertrauen. Es klingt immer so, als hätten Arbeitgeber und Arbeitnehmer da eine Art geheimnisumwölkter Intimbeziehung, als seien sie aneinandergeschweißt wie Liebende, mindestens aber kameradschaftlich auf Blutehre verpflichtet wie Soldaten in der Schlacht.

So ein Unsinn. Sie sind Vertragspartner, und Verträge sind einzuhalten. Von beiden Seiten. Ob einer eine Firmenbulette vernascht, am Arbeitsplatz sein Handy lädt, mit dem Stift des Chefs eine Privatnotiz verfertigt  – all dieses sind  Fragen von Sitte, Stil und Bräuchen, die Unternehmen mit ihren Beschäftigten in ihrer Eigenschaft und Fähigkeit als soziale Agglomerate doch bitte selbst klären, statt damit die Justiz zu behelligen. Es ist noch anzufügen, dass ein neuer Fall „Emmely“ hier nicht in Rede steht. Die Unterschlagung von Pfandbons ist eine andere Kategorie.

Gut möglich, das der Dortmunder Verband gerade deshalb zu seiner sinnfreien Kündigung steht, weil er es den republikweiten „Emmely“-Anhängern so richtig zeigen will. Seht her, wir halten an den harten Sanktionen fest, auch wenn Ihr Sozialisten und Krisenredner sie aufweichen wollt! Hier werden noch die Prinzipien hochgehalten!! Das wäre doppelt ärgerlich, weil das Arbeitsrecht kein Ort ist, um Prinzipien hochzuhalten.

Niemand ist gezwungen, Armleuchter einzustellen

Politisch gemeinte Kündigungen sind mindestens so fahrlässig wie solche Bagatellkündigungen, vielleicht sind sie sogar gefährlich. Aktuell betroffen ist der Mitarbeiter einer Berliner Sicherheitsfirma, ein bekennender NPD-Mann, dem wir an dieser Stelle natürlich Tod und Teufel wünschen. Dass ihn allerdings eine Privatfirma auf die Straße stellt, wenn er sich im Betrieb brav verhält und sich nur außerhalb – im Rahmen der Gesetze – politisch widerlich betätigt, ist Unrecht. Auch hier gilt die alte römische Regel: Pacta sunt servanda, Verträge sind einzuhalten. Es gibt schließlich die Vertragsfreiheit.

Niemand ist gezwungen, Armleuchter einzustellen. Wenn aber plötzlich alle NPD-Spinner gefeuert werden dürften, was passiert dann? Dann sitzen sie auf der Straße und kommen auf dumme Gedanken. Nein, diese Verstoßerei, sie bringt nichts, die Kündigungsrepublik Deutschland ist eine schlechte Idee. Also eine Bitte an alle Arbeitgeber: Beschäftigt auch Nazis. Seht es als Integrationsaufgabe. Und seid zu ihnen harsch, autoritär  und kommandiert sie ordentlich rum. Sie mögen das und werden euch ewig dankbar sein.

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