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Andrea Dernbach

© Kitty Kleist-Heinrich

Auf den Punkt: Kulturrevolution von rechts

Andrea Dernbach über das Gespann Merkel-Westerwelle

So ist das mit Revolutionen: Was sie wirklich umgewälzt haben, sieht man erst, wenn der Pulverdampf sich verzogen hat. So geht denn auch in der Aufregung über den Untergang der ältesten deutschen Partei, über die Rückkehr des Vintage-Modells Schwarz-Gelb und den Sesselwalzer im Kabinett gerade etwas viel Erstaunlicheres unter: Deutschland wird weitere vier Jahre von einer Frau regiert, dazu noch einer einmal geschiedenen und kinderlosen, und jetzt auch von einem offen homosexuell lebenden Mann.

Was daran Besonderes ist? Zunächst einmal, dass sich diese Kulturrevolution im Mitte-Rechts-Spektrum vollzieht. Und dass sie nicht auf zwei Personalien beschränkt ist. Man blicke nach Bayern: Der historische Sturz der Staatspartei CSU mag andere Gründe haben; jedenfalls schaffte es Seehofers altfränkische Faust-auf-den-Tisch-Strategie nicht, das Klima zu drehen: Im Deutschland der Chefmoderatorin Merkel scheinen sich viril gebende Kraftmeier zusehends ins Leere zu hauen. Man hätte es ahnen können; schließlich hat Bayern die angesagten Softskills längst entdeckt - die jungen Väter dort sind besonders eifrige Elternurlauber.

Und unsere Demoskopen könnten sich nach dem Tag X auch der Frage widmen, ob die SPD ihr Waterloo tatsächlich nur ihrem Glaubwürdigkeitsverlust in der klassischen Sozialpolitik zu verdanken hat. Oder ob sich ihre Klientel vielleicht auch kulturell in ihr nicht mehr wiedererkennt: In einem Wahlkampf, der die Kanzlerin auf klassische Macho-Art anging („die kann’s nicht“, "die entscheidet nicht“) und der nicht mehr zu verbergen wusste, wie wenig eigenes weibliches Talent die sozialdemokratischen Granden in Jahrzehnten überleben ließen – der Kanzlerin und ihrer ebenso populären wie radikalen Ministerin von der Leyen setzte man die übliche Männerriege und ein paar fast unbekannte, eilig zusammengetrommelte Frauen entgegen. Ob die SPD in der Opposition dazulernt?

Und die Grünen, seit dreißig Jahren Vorkämpfer für faktische Gleichheit und gegen Rollenstarre, sehen nun auch auf diesem Gebiet nicht mehr so anders aus als die andern. Das sollten sie als ihren eigentlichen Wahlsieg feiern.

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