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Auf den Punkt: Nachhilfe in Strafrecht

Werner van Bebber zur Justizschelte der Berliner Oberstaatsanwältin

Mutig, die Dame. Vera Junker, Berliner Oberstaatsanwältin, gibt Berliner Richtern Nachhilfe in Sachen Anwendung des Strafrechts. Mit einem kaum verbrämten "Ja" beantwortete sie (im Tagesspiegel am Sonntag) die Frage "Ist unsere Justiz zu lasch?". Der Anlass der Frage war ein durchaus lasch erscheinendes Urteil gegen zwei junge Männer, die einen ebenfalls noch jungen Berliner Busfahrer niedergestochen hatten. Die beiden sollen für drei beziehungsweise dreieinhalb Jahre ins Gefängnis; nach dem Urteil wurden sie aber erstmal wieder frei gelassen.

Was Vera Junkers Einlassung mutig wirken lässt, sind weniger ihre Erklärungen einer tatsächlich selten an die Grenzen des Zulässigen gehen Strafrechtspraxis. Mutig wirkt Vera Junker, eine justizpolitisch ambitionierte Sozialdemokratin, weil man sich in Berlin nicht besonders beliebt macht, wenn man öffentlich rechtspolitische Statements abgibt.

Junker moniert, dass bei manchen Straftätern "angesichts zunehmender Gewaltintensität" die erhöhte Hemmschwelle für die Tötung eines Menschen nicht mehr vorausgesetzt werden kann, Richter dies aber dennoch tun. Sie moniert, dass Richter gern Strafen von sozusagen mittlerer Länge verhängen - für den Fall, dass sie mal einen noch brutaleren Angriff berurteilen müssen. Sie moniert, dass die präventive Wirkung von Urteilen - der Schutz der Gesellschaft vor gefährlichen Straftätern - vielen Richtern zweitrangig erschient.

Das alles sind rechtspolitische Äußerungen. Es wäre an der Politik, über Strafrahmen zu streiten und es wäre an der Politik, Richtern die eine oder andere Weiterbildung nahe zubringen, etwa über die Entwicklung bestimmter Formen von Gewaltkriminalität. Es wäre an der Politik, manche Richter daran zu erinnern, dass es nicht nur Obergerichte gibt, vor denen man bestehen will, sondern auch eine Gesellschaft, in der es gelegentlich äußert brutal zugeht.

Der letzte Staatsanwalt, der aus seinem Berufsverständnis heraus seine Arbeit auch politisch erklärt und kommentiert hat, war Roman Reusch, der Leiter der Intensivtäterabteilung der Berliner Staatsanwaltschaft. Reusch wusste besser als viele Justizpolitiker, wie es in bestimmten Berliner Kiezen und den dort gedeihenden gewaltkriminellen jugendlichen Parallelgesellschaften zugeht. Seine Erkenntnisse kann man ganz sicher auf die gleichen Gruppen in anderen Großstädten übertragen. Es brauchte ein paar Jahre und zwei sozialdemokratische Berliner Justizsenatorinnen, um den etwas konservativen Reusch von seinem Schreibtisch weg und aus dem Gerichtssaal herauszubekommen. Mal sehen, welche Erfahrungen Vera Junker nun macht.

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