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Moritz Döbler

© Kai-Uwe Heinrich

Neuer Grünen-Chef: Özdemir ist kein Obama

Von einem Einschnitt ist die Rede, und dass mit Cem Özdemir erstmals ein Politiker türkischer Abstammung in Deutschland an die Macht komme. Was für eine impertinente Heuchelei! Der Einschnitt liegt ganz woanders.

Von einem Einschnitt ist die Rede, und dass mit Cem Özdemir erstmals ein Politiker türkischer Abstammung in Deutschland an die Macht komme. Was für eine impertinente Heuchelei! Der Einschnitt liegt ganz woanders: Dass nämlich die Grünen erst niemanden fanden, der sie neben Claudia Roth führen wollte, dass sie dem neuen Parteichef dann kein Bundestagsmandat zubilligten, dass sie jemanden nahmen, den sie vor wenigen Jahren mit Schimpf und Schande weggejagt hatten oder auch dass er einer ist, der keinen Demo-Anorak, sondern nur einen schwarzen Wollmantel in seinem Schrank findet, wenn er ins Wendland reist.

Dagegen nimmt sich der Umstand, dass Özdemir ein Schwabe anatolischer Abstammung ist, vergleichsweise nebensächlich aus und dürfte jedenfalls das kleinste Hindernis auf seinem politischen Weg sein, eher im Gegenteil. Wäre er eine Frau, hätte er es nicht geschafft, denn es musste ja ein Mann her. Wer Özdemir auch noch voller Stolz ein Obama-Siegel aufdrückt, will auf billige Weise von der Begeisterung für einen Pop-Star profitieren, von dem noch keiner weiß, was er als US-Präsident überhaupt tun wird.

Aber auch die andere Behauptung - ein Migrantenkind kommt an die Macht - ist falsch. Macht hat er zunächst mal überhaupt nicht. Er steht neben Claudia Roth, sitzt nicht im Bundestag, gehört keiner Regierung an, und damit ist er vermutlich ungefähr so mächtig wie Generalsekretär Hubertus Heil bei der SPD.

Ein Einschnitt im Sinne multikultureller Selbstverständlichkeit war es, als der Sorbe Stanislaw Tillich Ministerpräsident in Sachsen wurde. Oder als die hessische CDU damit scheiterte, den grünen Spitzenkandidaten Tarek al-Wazir zu diffamieren. Oder auch als ein einstiger vietnamesischer Waisenjunge, dem seine deutschen Adoptiveltern den Namen Philipp Rösler gegeben haben, die Führung der FDP-Landtagsfraktion in Niedersachsen übernahm.

Ein Einschnitt wäre es auch, wenn Özdemir Außenminister oder Finanzminister würde (nicht etwa Minister für Gedöns, wie Gerhard Schröder zu spotten pflegte). Aber was  nicht ist, kann ja noch werden, mit viel Glück und noch mehr Arbeit.

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