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Meinung: Auf jedem Tandem, das dampft und segelt

Wolfgang Gerhardt überholt sich selbst – der FDP hilft das nicht

Mit den Bildern haben sie es, die Liberalen. „Auf jedem Schiff, das dampft und segelt, gibt’s einen, der die Sache regelt“ – das sagte Guido Westerwelle 2001, als er zum FDP-Vorsitzenden gewählt wurde, und er fügte hinzu: „Und das bin ich!“

Im selben Jahr und eigentlich auch im selben Moment brauchte die FDP eine positive Wendung für die Tatsache, dass sie jetzt gewissermaßen zwei Schiffe hatte: eines, das segelt, und eines, das dampft, also Partei und Fraktion, denn die Führung der Liberalen wurde geteilt. Während Westerwelle die Partei übernahm, blieb dessen Vorgänger Wolfgang Gerhardt Vorsitzender der Fraktion. So wechselten die Liberalen das Verkehrsmittel.

„Wir sind 2001 ganz freundschaftlich als Tandem gestartet. Guido Westerwelle sitzt vorn.“ Das sagt heute Wolfgang Gerhardt, und dass er die Vergangenheitsform wählt, sagt viel aus über den Zustand der Liberalen, manchen von ihnen scheint das sogar recht zu sein. Ganz freundschaftlich? Selbst wenn es das wirklich je gab, dann ist es heute Geschichte. Selbstverständlich ist das ein Machtkampf, der sich da abspielt – und ein Kulturkampf dazu.

Zwischen Gerhardt und Westerwelle gibt es seit einiger Zeit einen Wettbewerb darum, wer schneller ein Papier präsentiert, das die liberale Politik beschreiben soll. Mal liegt der eine vorne, mal der andere. Vor einer Woche stellte Gerhardt seine „Erklärung zur Verantwortung für Deutschland“ vor, Westerwelle wurde einen Tag vorher telefonisch in Kenntnis gesetzt. Am heutigen Mittwoch zieht Westerwelle nach unter dem Titel: „Nur die freie Gesellschaft ist die faire Gesellschaft.“

Ein seltsames Tandem: Zwei, die dasselbe Ziel haben, nämlich den Machtwechsel 2006. Der eine vorne, den Lenker in der Hand, peilt gerade die nächste Wegmarke an. Da ruft der andere frech von hinten: Bin schon da!

Dass Gerhardt jetzt mit einiger Unterstützung aus der Partei versucht, auf einem Tandem seinen Vordermann abzuhängen, ist nicht die einzige Paradoxie in dieser Angelegenheit. Die Liberalen erscheinen manchem heute als unzeitgemäß, weil sie sich dem Zeitgeist verschrieben. Die Partei wirkt nicht modern, sondern bestenfalls modisch.

Aber das ist keine politische Kategorie, auf die Verlass ist. Für den daraus folgenden Profilverlust wird intern Westerwelle verantwortlich gemacht. Das muss er ertragen, einerseits, zumal er eine ehrliche Auseinandersetzung mit der Spaßzeit, mit Größenwahn und Absturz eher vermied. Dieser Vorwurf ist aber auch, andererseits, kurzsichtig und ungerecht.

Wer jetzt in Gerhardt denjenigen sieht, der die gute, alte Zeit zurückholt, hat ein kurzes Gedächtnis. Die „Partei der Besserverdienenden“ zum Beispiel hat nicht Westerwelle erfunden, sondern dessen Vorgänger als Generalsekretär. Die Abwendung von dem, was die Bürgerrechtspartei einst ausmachte, begann ebenfalls weit früher. Die Hinwendung zu Gerhardt folgt genau jenen Reflexen, für die sich heute manche in Bezug auf Westerwelle schämen: Auch diesem Schwenk haftet wieder etwas Zeitgeistiges an, ohne Substanz. Denn programmatisch wird ja weniger gestritten, es geht mehr um die Präsentation. Die darf heute gerne etwas biederer sein. Bei mehr als fünf Millionen Arbeitslosen und Milliarden verbrannter New-Economy-Aktien lacht es sich nicht mehr so ungeniert.

Wie aber die selbsternannte Partei der Mitte ihre eigene Mitte wiederfindet, weiß auch Gerhardt nicht zu sagen. Stattdessen überholt er lieber sich selbst. Ein akrobatisches Kunststück, das ablenkt von dem, was die Partei tatsächlich zu bieten hat oder bieten will.

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