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Meinung: AUFGELESEN

Sonderausgaben über den 9. November 1989 füllen Zeitungen auf der ganzen Welt.

Sonderausgaben über den 9. November 1989 füllen Zeitungen auf der ganzen Welt. Der Tagesspiegel befragte Deutschland-Korrespondenten zu ihren persönlichen Eindrücken.

In unserer Gegenwart hat wenig wirklich Bestand. Wie schnell vergessen wir, was wir zuvor hörten und sahen. Der Fall der Berliner Mauer ist auch in den chinesischen Medien ein Riesenthema. Dort wie hier diskutieren die Menschen über die noch immer existierenden Probleme nach 20 Jahren Mauerfall. Ich wünschte, alle Mauern könnten sichtbar gemacht werden, so kalt wie die Berliner Mauer vor 20 Jahren. Nur, um uns daran zu erinnern und gegen das Vergessen aufzulehnen. Denn ohne es zu merken, werden wir nach und nach von unsichtbaren Mauern eingeschlossen.

Lixin Jiang, Beijing Daily, China

Die Berliner Mauer ist Vergangenheit, und ich freue mich für Deutschland und die Deutschen. Die meisten Russen fühlen genauso. Doch die „Mauern in unseren Köpfen“, wie es Angela Merkel formuliert, sind geblieben. Noch immer legen einige in der Europäischen Union Wert darauf, dass Russland nicht Europa ist. Aus diesem nach wie vor fremden, rätselhaften und unberechenbaren Land kämen Kälte und Gefahr. Gaslieferungen machten die Deutschen abhängig, russische Hilfe für Opel mache Deutschland in Zukunft erpressbar. Diese unverdiente Einstellung zu meinem Land stört und ist beleidigend. Preis hin, Preis her, wir hatten mit einem aufgeschlossenen Empfang im gesamteuropäischen Raum gerechnet.

Dmitri Tultschinski, Ria Novosti,

Russland

Wie kann ein Drittel der Ostdeutschen 20 Jahre danach die für die Mauer, diese Tyrannei verantwortliche Partei, deren Leute und Gesellschaftsmodell wählen. Und diesmal sogar freiwillig? Wäre es damals nicht ökonomisch und moralisch total gescheitert, wären jetzt vielleicht Bisky Staatsratsvorsitzender und Gysi Politbüro-Sprecher. Alles wäre nur weniger langweilig als Honecker selbst.

Reinhard Frauscher, Kurier,

Österreich

Es ist vielleicht nicht unverständlich, wenn hier und dort im Westen ab und an der Schrei nach einem „Danke“ laut wird. Das sind die Gesetze des Materiellen. Und wie sieht es aus nach den Gesetzen der Symbolik? Genau umgekehrt: Es waren ausschließlich die Ostdeutschen und Ost-Berliner, die Kopf und Kragen für die Wiedervereinigung riskiert haben, die jene Mauer zum Fall brachten. Und wo bleibt „20 Jahre danach“ das dicke Danke, liebe Westler?

Aktham Suliman, Al Dschasira, Katar

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