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Meinung: Aus unserer Mitte

Von Clemens Wergin

Es ist erstaunlich, wie schnell die Experten in London die Spur zu den Attentätern vom 7. Juli aufgenommen haben. Und es ist erschreckend, was sie herausgefunden haben: Mindestens ein Attentäter, vielleicht alle vier, sind bei den Anschlägen ums Leben gekommen, waren möglicherweise Selbstmordattentäter. Und: Alle waren wohl britische Staatsbürger pakistanischer Herkunft. Noch weiß man nichts genaues, vielleicht sind die Attentäter von einem AlQaida-Bombenexperten hereingelegt worden und haben sich beim Scharfmachen der Sprengsätze ungewollt selbst in die Luft gesprengt. Wahrscheinlicher ist aber, dass wir es mit einer neuen Qualität des Terrors in Europa zu tun haben: Während die Attentäter von Madrid noch ihr eigenes Leben retten wollten, haben die Londoner Extremisten ihren Tod wohl eingeplant. Angesichts dieser Nachrichten scheint es angebracht, dass sich Europa vertraut macht mit den Erfahrungen der Israelis. Die mussten in den letzten Jahren erfahren, dass Abschreckung gegen Selbstmordattentäter nicht hilft: Wird ein Terrorist vor einer Disko oder einem Einkaufszentrum gestellt, sprengt er sich sofort in die Luft und nimmt die Umstehenden mit in den Tod. Anders als bei zurückgelassenen Bombentaschen, bleibt den Bürgern so nicht einmal eine kleine Chance, die Gefahr noch rechtzeitig zu entdecken.

Genauso beunruhigend ist die Tatsache, dass offenbar britische Muslime für die Attentate verantwortlich sind. Wenn Anschläge in Pakistan, Afghanistan oder anderswo in der muslimischen Welt vorbereitet werden, dann geben die langen Kommunikations-, Schleuser- und Versorgungswege den Geheimdiensten vielfache Gelegenheit, den Planern rechtzeitig auf die Spur zu kommen. Wohnen die Attentäter allerdings mitten unter uns und besitzen gar die jeweilige Staatsbürgerschaft, wird das um vieles schwieriger. Eine Mauer bauen wie die Israelis können wir nicht, Muslime in Europa unter Generalverdacht stellen genauso wenig. Weil wir in diesem Abwehrkampf über keine strategische Tiefe verfügen, bleibt nur eins: genauer hinsehen, warum ein überdurchschnittlich hoher Anteil muslimischer Jugendlicher in Europa anfällig ist für extremistische Parolen. Selbst wenn sich nur ein sehr, sehr kleiner Teil von ihnen von Al Qaida anwerben lässt: Ist die Entscheidung einmal getroffen, ist es mit hoher Wahrscheinlichkeit schon zu spät.

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