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Meinung: Auto plus Flugzeug gleich Erderwärmung

Europas Kyoto-Irrsinn: Maut für Züge, freie Fahrt für Brummis Von Michael Cramer

Kofi Annan hat auf dem Klimagipfel in Nairobi einen „erschreckenden Mangel an Führungswillen“ bei den weltweit verantwortlichen Politikern festgestellt und eine weltweite CO2-Steuer gefordert, um die „größte Herausforderung unserer Zeit“, den Klimawandel, zu bekämpfen. Er hat völlig recht, sind doch die Nachrichten alarmierend: Der weltweite Ausstoß des Klimakillers CO2 ist nicht gesunken, sondern zwischen 2000 und 2004 angestiegen – um gut ein Prozent pro Jahr. In vier Jahren stiegen die Emissionen in Mittel- und Osteuropa um 4,1, in den Kyoto-Staaten sogar um elf Prozent. Deutschland, das sich bis 2012 zur CO2-Reduktion von 21 Prozent verpflichtet hat, ist mit den bisher erreichten 17,2 Prozent weiterhin nicht am Ziel.

Verantwortlich für den Trend in die falsche Richtung ist vor allem der Verkehr, dessen Schadstoffausstoß seit 1990 um 23,9 Prozent zugenommen hat. Im Luftverkehr hat er sich sogar verdoppelt. In der EU verursacht der Verkehr beinahe 30 Prozent aller klimaschädlichen CO2-Emissionen. Rund 70 Prozent des Erdöls, das verbraucht wird, gehen auf das Konto des Verkehrssektors. Schaut man genauer hin, wird ein Anachronismus sichtbar: Klimaschädliche Verkehrsarten werden subventioniert, die umweltfreundlicheren dagegen steuerlich belastet.

Unbestreitbar ist die Fahrt mit der Bahn eine der umweltfreundlichsten Arten, mobil zu sein. Deshalb müsste die Schiene eigentlich gefördert werden. Das Gegenteil ist der Fall: In der EU ist verbindlich vorgeschrieben, dass auf allen Strecken für alle Züge in Form der Trassenpreise eine Maut erhoben werden muss. Für den schärfsten und am meisten emittierenden Konkurrenten, die Straße, wird die Maut nur auf Autobahnen und nur für Lkw ab zwölf Tonnen erhoben. Ihre Höhe ist begrenzt, die externen Kosten werden nicht internalisiert und die Mauterhebung ist freiwillig. Kein Wunder, dass insbesondere der Güterverkehr auf Europas Straßen zu Hause ist.

Die Schweiz hat vorgemacht, wie man das ändern kann. Durch eine Lkw-Maut, die viermal so hoch ist wie die in Deutschland, und die auf allen Straßen und für alle Lkw gilt, wurde etwa der Mineralöltransport von der Straße auf die Schiene verlagert. Vor Einführung der Maut fand er zu 70 Prozent auf der Straße statt, heute zu 70 Prozent auf der Schiene. In der Schweiz gab es weder eine Verlagerung von Autobahnen auf Bundesstraßen noch von großen auf kleine Lkw. Und die Kosten beim Verbraucher stiegen lediglich um 0,5 Prozent.

Anachronistisch ist auch die Situation im Flugverkehr. Die Steuerbefreiung von Kerosin – vor einem halben Jahrhundert eingeführt, um dem in seinen Anfängen steckenden Luftverkehr eine Anschubfinanzierung zu geben – erlaubt den Airlines heute, ihre Kunden zum Taxipreis zu befördern. Auf der Strecke bleiben dabei nicht nur die konkurrierenden steuerzahlenden Bahnen, sondern auch das Klima, das ganz extrem unter dem boomenden Luftverkehr zu leiden hat. Denn die Emissionen zerstören in der Stratosphäre die für das menschliche Leben notwendige Schutzschicht. Dennoch ist der Luftverkehr vom Emissionshandel des Kyoto-Protokolls befreit, während die Schiene über den Strompreis involviert ist.

Nicht alle Länder begünstigen den klimaschädlichen Luftverkehr. Beispielsweise besteuern die Niederlande Kerosin für Inlandsflüge, ebenso die USA und Kanada. Die Grünen im Europäischen Parlament fordern die Steuer für alle Flüge innerhalb der EU, um mit den erwarteten Einnahmen in Höhe von 14 Milliarden Euro jährlich die Schienenwege in Europa zu modernisieren. Auch hier sind die Kosten für den Verbraucher mit zwei Euro pro 100 Flugkilometer akzeptabel.

Die Vorschläge liegen auf dem Tisch. Deutschland hat die Chance, während seines G-8- und EU-Vorsitzes im kommenden Jahr Kofi Annans Worten Taten folgen zu lassen.

Der Autor ist Mitglied des Europäischen Parlaments und verkehrspolitischer Sprecher der Europafraktion Die Grünen/EFA.

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