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Autobauer: Die Opel-Rettung ist ein großes Wagnis

Die Politik mag kurzfristig Kapital aus der Opel-Rettung schlagen. Auf Dauer aber bürdet sie dem Staat enorme Haushaltsrisiken auf – und setzt sich selbst unter Zugzwang. Ein Kommentar

Es sind Bilder, die für einen Poliker kaum vorteilhafter sein können: Ein abgekämpfter Finanzminister tritt zu noch nächtlicher Stunde vor die Kameras und verkündet die Rettung tausender Jobs bei Opel. Man habe sich mit den Ländern, der US-Regierung und dem Mutterkonzern General Motors (GM) geeinigt, dass die europäischen GM-Werke mit Opel vom österreichisch-kanadischen Zulieferer Magna übernommen werden sollen. Nicht nur in Rüsselsheim, Bochum, Kaiserslautern und Eisenach dürfen die Mitarbeiter wieder hoffen. Auch viele Opelaner in Belgien, Großbritannien, Spanien und Polen verlieren wohl nicht ihren Job. Opel ist gerettet – vorerst.

Und doch sollte man sich nicht blenden lassen. Denn erstens ist keinesfalls das letzte Wort gesprochen: Gut möglich, dass weitere Verhandlungen, vor allem mit der Konzernmutter General Motors (GM) in Detroit nötig sein werden, um alle Widrigkeiten aus dem Weg zu räumen. Zweitens ist es ein gefährlicher Weg, auf den sich die Regierung mit dem ausgehandelten Kompromiss begibt.

Konkret sieht er so aus: Opel soll vorübergehend in eine neue Holding ausgegliedert werden, die ein Treuhänder verwaltet. Der Staat zwingt abhängige Banken, das Unternehmen kurzfristig mit Krediten in Höhe von 1,5 Milliarden Euro zu unterstützen, für die er selbst bürgt. Der Bund stockt dann binnen fünf Jahren seinen Bürgschaftsrahmen für das Konsortium rund um Magna auf 4,5 Milliarden Euro auf. Dieses wiederum verspricht, die vom Staat verbürgten Kredite schnell zurück zu zahlen.

Sowohl Magna als auch die Bundesregierung gehen damit gewaltige Risiken ein. Denn der neue Investor, der Opel in eine bessere Zukunft führen soll, steht selbst weniger solide dar als es scheint. Zwar verfügt Magna über erhebliche Finanzreserven. Tatsächlich aber hat die Rezession den Umsatz des Unternehmens zuletzt um rund die Hälfte einbrechen lassen. Mit im Verbund ist auch die russische Sberbank, die vom russischen Staat mit Milliardenhilfen am Leben gehalten werden muss.

Magna verspricht zudem, die neugegründete Gesellschaft werde auf dem russischen Markt 700.000 Autos pro Jahr verkaufen. Dort aber wütet derzeit ebenfalls die Autokrise. Ob das Russland-Geschäft Opel tatsächlich helfen wird, ist keinesfalls ausgemacht.

Ohnehin ändert der Einstieg von Magna am Kernproblem von Opel wenig. Opel baut Mittel- und Kleinwagen in einem Markt, in dem die Konkurrenz groß ist und die Überkapazitäten hoch. Weder durch den Einstieg von Magna noch durch eine Standortgarantie wird ein Auto mehr verkauft. Mehr noch: Mit den Bürgschaften schadet der Staat der Konkurrenz. Werden Arbeitsplätze bei Opel geschützt, gefährdet der Staat die Jobs der bei Volkswagen und Ford. Geht der Plan von Magna schief, muss der Staat und damit am Ende der Steuerzahler haften.

Das weitaus größere Problem wird sich aber erst in den kommenden Tagen zeigen. Indem die Regierung ein Unternehmen retten will, dass keinesfalls unverschuldet in die Krise geraten ist, hat sie einen Präzedenzfall geschaffen hat, der Folgen haben wird. Andere Unternehmen – der angeschlagene Arcandor-Konzern etwa – werden ebenfalls um Hilfe bitten und haben nun ein schlagkräftiges Argument: Warum sind euch 25.000 Opelaner wichtiger als 50.000 Arcandor-Mitarbeiter?

Hierauf gibt es keine überzeugende Antwort mehr. Bereits jetzt fordert der SPD-Chef Franz Müntefering, Arcandor müsse ebenfalls mit Staatsbürgschaften geholfen werden. Weitere Unternehmen werden bis zur Wahl im Herbst Fürsprecher finden. Was ist mit Schaeffler, wo 28.000 Menschen arbeiten? Was mit Porsche? Die Koalition, vor allem die SPD, mag die Opel-Rettung als kurzfristigen Erfolg verbuchen. Langfristig schafft sie Probleme, weil sie die zu ständig neuen Rettungstaten zwingt, stets auf die Gefahr hin, dass der Haushalt weiter aus dem Ruder läuft.

Nicht nur deshalb wäre die Insolvenz von Opel der schmerzhaftere, aber richtigere Weg gewesen. Sicher: Die Risiken wären ebenso groß gewesen. Viele Menschen hätten ihre Arbeit verloren, lediglich kleine Teile von Opel hätten am Ende überlebt. Das wäre bitter geworden, nicht aber eine Bedrohung für das "System", wie es in der Politik zwischenzeitlich hieß. Auch nach einer Opel-Pleite wären weiter Autos gebaut worden, womöglich stünde die Konkurrenz danach besser da. Die gut gemeinte Rettungsaktion wird nicht nur ihre Krise verlängern, sondern im schlimmsten Falle auch jene von Opel. (Zeit Online)

Philip Faigle

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