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Bachelor-Abschluss: Drei Jahre, 42 Prüfungen

Prüfungswahnsinn und Sozialdarwinismus: Folgt man der vorherrschenden öffentlichen Meinung, so handelt es sich beim Bachelor um die missratenste Reform in der Geschichte der Hochschule. Das Bachelor-Studium bewirkt in Deutschland häufig das Gegenteil dessen, was mit dessen Einführung bezweckt war.

Was ist das? Es verbreitet an Hochschulen Lern-Brechsucht, verblödet Studierende und wird die deutsche Universität bald völlig zerstört haben. – Richtig geraten: der Bachelor. Folgt man Umfragen, der Ansicht vieler Fakultätentage und der dominierenden öffentlichen Meinung, handelt es sich beim Bachelor um die missratenste Reform in der Geschichte der Hochschule.

Das Image des praxisnahen Kurzstudiengangs ist schlechter als je zuvor. Im Studierendensurvey der Bundesregierung sagen nur zwölf Prozent der Befragten, Bachelor-Absolventen hätten gute Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Die Hälfte ist der Ansicht, die wissenschaftliche Qualität im Bachelor sei „zu gering“, was zu „Akademikern zweiter Klasse“ führe.

Tatsächlich bewirkt die große Studienreform in Deutschland vielfach das Gegenteil dessen, was damit bezweckt war. Europas Bildungsminister wollten Studierenden und Absolventen 1999 mit ihrem Beschluss in Bologna die Mobilität erleichtern. Darum einigten sie sich auf ein System. Der erste Abschluss, der Bachelor, sollte nach drei bis vier Jahren erreicht werden und für den Arbeitsmarkt relevante Qualifikationen attestieren. Der zweite Zyklus – der Master und/oder die Promotion – sollten darauf aufbauen.

Inzwischen ist zu hören, noch nie sei es für Studierende so schwierig gewesen ins Ausland zu gehen wie in Zeiten des Bachelors. Sogar der Wechsel innerhalb Berlins wird zum Problem, weil die neuen Studiengänge so verschult sind.

Für Deutschland war Bologna die Chance, die überfällige Studienreform anzupacken. Die Abbrecherquoten waren exorbitant (60 Prozent im Bauingenieurwesen, 80 Prozent in Germanistik). Studienzeiten von 15 bis 20 Semestern waren normal. Unter dem Deckmantel akademischer Freiheit herrschte Sozialdarwinismus: Viele Studierende scheiterten an dem unstrukturierten Angebot.

Weil der Bachelor erst in den Kinderschuhen steckt, ist noch unklar, ob die Studienzeiten und die Abbrecherzahlen tatsächlich sinken. Deutlich wird aber bereits, dass viele neue Studiengänge so vollgerümpelt sind wie die alten – nur, dass nun alles schneller studiert werden soll.

Zugleich herrscht ein neuer Prüfungswahnsinn. Gab es früher nur Zwischenprüfungen und ein großes Examen am Schluss, prüfen die Hochschulen jetzt zigfach in nur einem Semester. So werden in einem BWL-Bachelor in sechs Semestern 42 Prüfungen abgenommen – das geht fast nur in Form stupiden Abfragens.

Wer ist an all dem schuld? Die Professorenverbände versuchen den Eindruck zu erwecken, als sei das Unheil von bösen Politikern über sie gebracht worden. In Wahrheit liegt es nicht im Wesen eines zweizyklischen Studiums, dumm zu machen. Auch hat nie ein Politiker angeordnet, die Studiengänge müssten verschult sein, die Studierenden sollten mit Anwesenheitspflichten und ungezählten Prüfungen gegängelt werden. Ebenso wenig hat man den Unis befohlen, nur den sechssemestrigen Kurz-Bachelor anzubieten und so Zeit fürs Ausland, für Praktika und für forschendes Lernen zu vernichten.

Dort, wo der Geist der Reform in sein Gegenteil verkehrt wird, ist das fast allein den Professoren selbst zuzuschreiben. Sie haben die Studiengänge so entworfen, wie sie heute sind. Das festzustellen ist wichtig, weil es auch in den Händen der Professoren liegt, Fehler schnell zu beheben. Nicht nur die Studierenden, auch die Unternehmen warten auf ein intelligent entworfenes Bachelor-Studium. Dass es geht, zeigen gute Vorbilder, durchaus auch in Deutschland.

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