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Meinung: Befördert die Mietenpolitik soziale und gesellschaftliche Ausgrenzung?

„Degewo macht Gewinne und erhöht Mieten“ vom 10. Mai Es ist schon sehr zynisch, wenn der Vorstand einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft vor Ghettos durch soziale Mietenpolitik und vor einem „rigiden Wohnungsmanagement nach sozialen Kriterien“ warnt.

„Degewo macht Gewinne und erhöht Mieten“

vom 10. Mai

Es ist schon sehr zynisch, wenn der Vorstand einer landeseigenen Wohnungsbaugesellschaft vor Ghettos durch soziale Mietenpolitik und vor einem „rigiden Wohnungsmanagement nach sozialen Kriterien“ warnt.

Was will Herr Bielka als Sozialdemokrat denn wirklich? Will er alle, deren Lohn und Rente zu klein ist, in Vorstadtghettos, wie es u. a. in Paris der Fall ist, unterbringen?

Man kann nur hoffen, dass die Politiker etwas weitreichender denken, denn sonst gibt es richtige Ghettos mit den Problemen, die sich bereits jetzt schon in unserer Stadt zeigen.

Dieter Herbert, Berlin-Marzahn

Die Mieten in Berlin steigen, das ist eine Tatsache. Mehr Menschen, die in unsere Stadt ziehen und eine zunehmende Zahl von Single-Haushalten führen dazu, dass das Wohnungsangebot knapper wird. So verteuern sich die Mietpreise vor allem im inneren Bereich der Stadt. Gut, günstig und dabei noch zentral wohnen – dieser Anspruch kann auch in unserer Stadt heute nicht mehr uneingeschränkt gelten. Aus der Sicht anderer Metropolen im In- und Ausland war dies sowieso ein Berliner Privileg. In dieser Entwicklung sind es aber gerade die degewo und die fünf anderen städtischen Wohnungsunternehmen Berlins, die dafür Sorge tragen, dass Menschen mit kleinem Einkommen eine bezahlbare Wohnung finden und in ihrem Quartier wohnen bleiben können. Und das schon heute – ohne, dass es dafür weitergehender Regelungen bedarf. Mit einer behutsamen Mietenentwicklung unterhalb der Inflationsquote und unterhalb des Mietspiegels wirkt die degewo seit Jahren dämpfend auf das allgemeine Mietenniveau in Berlin. Schätzungsweise 20 Prozent der degewo-Mieter beziehen ein Transfereinkommen, ein großer Teil unserer Wohnungen sind für Hartz-IV-Empfänger geeignet. Allein das macht deutlich, dass die degewo als städtisches Wohnungsunternehmen ihren sozialen Auftrag ernst nimmt, breite Teile der Bevölkerung mit bezahlbaren Wohnungen zu versorgen. Stabile Quartiere zu schaffen, in denen die Menschen Perspektiven für sich sehen, steht im Fokus unserer Arbeit.

Die Verdrängung von Menschen geringen Einkommens ist jedoch kein nennenswertes Problem, vor dem die degewo in ihren Quartieren steht. Anders mag das in manch innerstädtischer Lage sein, für die der Begriff „Luxussanierung“ durchaus seine Berechtigung hat. Nein, wir haben es stattdessen in einigen Gebieten mit einer allzu einseitigen Konzentration sozialer Probleme zu tun. Um dem Abrutschen einzelner Stadtteile entgegen zu wirken, hat die degewo in den vergangenen Jahren über die reine Vermietung hinaus vielfältige Aktivitäten – beispielsweise die Bildungsverbünde – in ihrer Quartiersarbeit unternommen. Auf diese Weise ist nicht nur die Stabilisierung der Wohnquartiere vielerorts gelungen, beispielhaft im Brunnenviertel. Diese Quartiere sind damit auch wieder für Bezieher mittlerer Einkommen attraktiv geworden. Dieser Weg muss aber zwingend fortgesetzt werden, wenn wir in der Entwicklung nicht zurückfallen und neue soziale Brennpunkte entstehen lassen wollen.

Die vom Berliner Senat wiedereingeführte Vorschrift zur Belegung von geförderten Wohnungen durch Haushalte mit geringem Einkommen könnte jedoch gerade diese Erfolge zunichte machen. Das meine ich, wenn ich ein zu rigides Wohnungsmanagement nach sozialen Kriterien kritisiere. Denn es sind Mieter mit einem mittlerem Einkommen, die in schwierigen Kiezen fehlen. Dass die derzeit so viel zitierte „Berliner Mischung“ nicht nur Arbeitslose einbezieht, sondern genauso Menschen mit mittlerem Einkommen, scheint gerne vergessen zu werden. Einseitige Sozialstrukturen mangels sozialer Mischung führen schnell in die bekannte Spirale aus äußerer Verwahrlosung, Nachbarschaftsstreit und Kriminalität – diese Erfahrung hat die degewo in der Vergangenheit machen müssen. Zielführend wäre es deshalb, wenn die Wohnungsunternehmen unter Einhaltung einer Gesamtquote selbst festlegen könnten, in welchen Quartieren in welchem Umfang an Inhaber von Wohnberechtigungsscheinen vermietet wird.

Gewiss, vor dem Hintergrund eines sich verändernden Wohnungsmarkts in Berlin gehören auch soziale Kriterien in der Wohnungspolitik auf den Prüfstand. Es wäre allerdings ein Fehler, die Erfolge der städtischen Wohnungsunternehmen bei der sozialen Quartiersentwicklung aufs Spiel zu setzen. Wir sollten endlich damit anfangen, die Entwicklung auf dem Berliner Wohnungsmarkt differenziert zu betrachten: Es bestehen eben große Unterschiede zwischen den sozialen Strukturen und dem Mietenniveau von Mitte oder Prenzlauer Berg auf der einen Seite, und Teilen Marzahns oder der Gropiusstadt auf der anderen. Pauschale Vorgaben richten da mehr Schaden an als sie Gutes bewirken.

— Dipl.-Kaufmann Frank Bielka, Vorstand der

degewo AG in Berlin, Staatssekretär a. D.

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