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Meinung: Beim nächsten Krieg wird alles besser

Wann je wurde schneller umgedacht? Vor einem Monat noch lehnte die Hälfte der Deutschen eine Beteiligung deutscher Soldaten am Afghanistan-Krieg ab.

Wann je wurde schneller umgedacht? Vor einem Monat noch lehnte die Hälfte der Deutschen eine Beteiligung deutscher Soldaten am Afghanistan-Krieg ab. Jetzt stören sich weder die Öffentlichkeit noch die restlichen grünen Pazifisten daran, dass am 22. Dezember deutsche Soldaten nach Kabul geschickt werden - mit einer vermutlich gefährlicheren Mission als die, über die vor einem Monat beinahe die rot-grüne Regierung gestürzt wäre.

Zum Thema Online Spezial: Kampf gegen Terror Afghanistan: Wege jenseits der Bomben Bundeswehr-Einsatz: Deutschland und der Krieg Fotos: Krieg in Afghanistan Wo sind bloß all die Kriegsgegner geblieben? Sind sie plötzlich vom Krieg überzeugt? Dann wäre die Überredungskunst des Bundeskanzlers und seines Außenministers erfolgreich gewesen, die Arbeitsteilung zwischen dem Pragmatiker, der vorprescht und dem Grünen, der Bedenken tragen, mindestens ertragen muss. Ob sie das abgesprochen haben? Wir wagen es nicht zu hoffen. Aber wie die Arbeitsteilung objektiv funktioniert hat, lässt sich an ihren Reden der letzten Monate ablesen:

Vor dem Mazedonien-Einsatz im August argumentierte Schröder, die Entsendung von Soldaten sei notwendig dafür, dass sich in dem Balkanland eine demokratische Stabilität entwickelt. Wie für die Begründung deutscher Außenpolitik üblich, nahm er dabei auf die NS-Vergangenheit Bezug.

Zwei Monate später, in der Regierungserklärung am 11. Oktober zum Anti-Terror-Krieg, hörte sich das schon anders an. Kein Wort mehr von NS-Vergangenheit, stattdessen viel von der "Geschichte menschlicher Zivilisationen". Da entrückt Schröder das konkrete politische Geschehen ins Mythische. Die Bekämpfung des internationalen Terrorismus und die Befreiung Afghanistans verblassen vor dieser mythischen Kulisse. Die Begründung hat sich verschoben. Um die konkrete Sache geht es schon auch noch, aber sie wird moralisch erschlagen von der doppelten Mission: Solidarität mit Amerika, weltgeschichtlicher Auftrag. Kein Platz bleibt da mehr für Skeptiker. Weil sie nicht nur falsch liegen, sondern einfach zu klein denken, sind sie schlicht Verweigerer.

Solidarität, Verantwortung und immer wieder Pflicht signalisierten: Es gibt gar nichts zu entscheiden. Was geschieht, ist alternativlos. Gewürzt hat der Kanzler diese Lektion vorzugsweise mit Tautologien: "Das ist der Grund, warum so deutlich geredet wurde, weil so deutlich gesprochen werden musste." Oder: "Wir werden das Notwendige tun, aber wir werden uns vorbehalten, über das Notwendige zu entscheiden."

Wo sich Schröder als harter Führer gibt, zeigt sich Fischer - wohl dem, der eine Claudia Roth überzeugen muss - auch gegenüber den Bürgern empfänglich für Emotionen: "Angesichts der Tragweite der Entscheidung", sagte er am 8. November, "verstehe ich all die Skrupel, verstehe ich auch die Emotionen". Was Schröder im ethisch-moralisch Nebulösen belässt, versucht Fischer zu konkretisieren, um Ängste vor Selbstüberschätzung auszuräumen: Deutsche Außenpolitik bleibe auch nach dem 11. September eine "Politik der Selbstbeschränkung", die außerdem rundum westintegriert ist und ganz europäisch bleibt. Schwerpunkt ist die Prävention, Gewalt die ultima ratio.

Mit dieser Arbeitsteilung - hart und weich, stop and go - haben Kanzler und Vizekanzler die Deutschen im Eiltempo überredet. Ob sie ihre Bürger auch schon überzeugt haben? Kaum. Bei allem Geschichtspathos von der neuen deutschen Rolle haben sie eines nie dargelegt: Wie bitte sieht denn diese neue Außenpolitik nach dem 11. September aus? Wo sind unsere Interessen, wo unsere militärpolitischen Grenzen? Wie steht Deutschland zum gewachsenen Einfluss der USA, zum geschwundenen der EU und zum fast unsichtbaren der Nato? Wenn die Fischer und Schröder darauf nicht bald antworten, wird ihre Von-Fall-zu-Fall-Politik irgendwann in die Legitimationskrise kommen. Vielleicht schon im Januar, wenn es gegen Somalia geht.

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