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Meinung: Benes lebt weiter

Es wird Zeit, dass Deutsche und Tschechen sich von alten Reflexen befreien

Es war gutes Wetter in Prag, als am Montag auf dem LorettoPlatz vor dem Außenministerium ein Denkmal enthüllt wurde. Fast die gesamte Staatsspitze Tschechiens war gekommen, um einem Mann zu huldigen, der für die Entstehung des tschechischen Nationalstaates steht, aber auch für dessen Ausverkauf an die Kommunisten – und für die Vertreibung von drei Millionen Deutschen: Eduard Benes.

Der Zeitpunkt der Einweihung des Denkmals war mit Bedacht gewählt: Einen Tag vor dem Besuch von Bundeskanzler Schröder, einen Tag nach dem Pfingsttreffen der sudetendeutschen Landsmannschaft. In Tschechien konnte man sicher sein, mit dem Druck auf die Benes-Taste einen Sturm der Entrüstung bei den Sudeten und deren Protektor Edmund Stoiber zu ernten. Eine Provokation sei das, schimpfte denn auch der bayerische Ministerpräsident und forderte die Abschaffung der Benes-Dekrete und das Fernbleiben der Staatsspitze von der Denkmalseröffnung. Das alte Reiz-Reaktions-Schema in den deutsch-tschechischen Beziehungen ist wieder da: Ihr ehrt einen Verbrecher, sagen die einen, ihr wart selber welche, sagen die anderen. Und schlagen über die Strenge: Denn dass Benes eine „große Persönlichkeit“ war, wie ihn der neue Premier Jiri Paroubek nannte, ist in Tschechien alles andere als Konsens.

Die Ehrung für den umstrittenen Ex-Staatschef belegt erneut die Instinktferne des seit dem Abtreten Vaclav Havels völlig zerstrittenen und unpopulären Prager Führungspersonals. Populismus und Nationalismus sind im Moment so ziemlich das einzige, mit dem tschechische Politiker politisch punkten können. Präsident Vaclav Klaus baut die EU-Verfassung als Feindbild auf und empfiehlt deren Ablehnung. Premier Paroubek und Parlamentspräsident Zaoralek versuchen es mit Benes-Lobhudelei und antideutschen Ressentiments. Nicht mit einem Wort erwähnten beide die Vertreibung der Deutschen, Ungarn und Österreicher aus der Tschechoslowakei.

Dabei wäre der Zeitpunkt für versöhnliche Gesten günstig: Die deutsche Schuld an der Zerschlagung und Besetzung der Tschechoslowakei ist unstrittig. Längst hat man auf deutscher Seite auch erkannt, dass die Benes-Dekrete – die übrigens vorrangig die Staatlichkeit der Tschechoslowakei wiederherstellten – nicht rückgängig gemacht werden können. Die EU hat ihre Rechtmäßigkeit eindeutig festgestellt. Daran kann auch die CSU, die im EU-Parlament gegen den Beitritt Tschechiens stimmte, nichts ändern.

Es ist Zeit zur Versöhnung. Berlin ist dazu bereit. In München, vor allem aber in Prag werden wir darauf noch warten müssen. Es war schlechtes Wetter, gestern in Prag.

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