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Berlin verschenkt Fördermittel in Millionenhöhe.

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Berlin verschenkt Fördermittel: Wo hakt es in der Berliner Verwaltung?

Ausreden oder falsche Politik? Die Berliner Verwaltung verschenkt Fördergelder in Millionenhöhe und niemand fühlt sich verantwortlich. Argumente wie Personalmangel und Seilschaften ziehen jedenfalls nicht.

Darf man sein eigenes Versagen damit entschuldigen, dass die anderen einfach besser waren? Was die in Sotschi am eigenen Unvermögen gescheiterten deutschen Bobfahrer kaum als Ausrede zu präsentieren wagten, was kein Lehrer einem nachlässigen Schüler durchgehen lassen würde, genau dies versucht die Berliner Verwaltung jetzt als Erklärung dafür, dass Bundesmittel für den Fernstraßenbau in zweistelliger Millionenhöhe nicht abgerufen werden konnten. Die seit Jahren geschrumpfte Berliner Verwaltung habe nicht mehr genügend Mitarbeiter mobilisieren können, um die nötigen Anträge zu stellen, erklärt Staatssekretär Christian Gaebler aus der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung.

Verwaltung kann angeblich wegen Mitarbeitermangel keine Anträge stellen

Andere Länder wie Bayern hätten systematisch Schubladenprojekte bereitgehalten, um einzuspringen, falls Bundesmittel frei würden, sagt der Sozialdemokrat. Und Katrin Lompscher von der Linken sieht gar finstere Seilschaften und Tippgeber zwischen dem einstigen CSU-Bundesverkehrsminister Peter Ramsauer und bayerischen Behörden. Damit kein Missverständnis entsteht: All das ist möglich. Vieles ist wahrscheinlich. Manches ist sogar vermutlich genau so, wie von Gaebler und Lompscher vorgebracht.

Aber das entschuldigt nichts, am Ende bleibt es ein Berliner Versagen. Fangen wir mit der Personalsituation an. Ja, in Berlin wurde massiv Personal gespart, aber das war nach der Wiedervereinigung zwingend, als zwei völlig überdimensionierte Verwaltungsapparate zusammengelegt werden mussten. Und, ja, mehrere Senatsverwaltungen klagen darüber, dass demnächst wichtige Mitarbeiter in den Ruhestand gehen, die über Jahrzehnte hinweg Planungsprozesse begleitet haben. Aber nichts von dem kam über Nacht. Eine lang- und mittelfristige Personalplanung kann sich auf solche Überraschungen wie den 65. Geburtstag eines leitenden Beamten einstellen. Dazu hat jede Senatsverwaltung fähige Mitarbeiter, die zusammen mit den Personalräten, aber unabhängig von der Parteicouleur des Senators oder der Senatorin, für Kontinuität in den Abteilungsspitzen sorgen – sollten.

Eine gute Verwaltung plant voraus

Politische Seilschaften, wie im Falle Ramsauer von Frau Lompscher vermutet, gibt es natürlich. Dafür war Ramsauer durchaus berüchtigt, ließ er doch bei Amtsantritt reihenweise Personal aus der Zeit seiner sozialdemokratischen Amtsvorgänger ablösen, um die Stellen mit CSU-Adepten zu besetzen. Aber das Knüpfen von Seilschaften ist kein typisches CSU-Laster, es ist politischer Alltag. Zwischen 1998 und 2005 wurde die Bundesrepublik von einer Koalition aus SPD und Grünen regiert. In diesen Jahren waren alle Bundesverkehrsminister Sozialdemokraten. In dieser Zeit regierte im Land Berlin die SPD entweder mit oder stellte sogar den Regierenden Bürgermeister. Und da soll es keine nützlichen Kontakte zwischen der Bundes- und des Landesebene gegeben haben? Am abstrusesten ist der Vorwurf, Länder wie Bayern (ersetze durch: Hessen, Baden-Württemberg, Niedersachsen) hätten mit Schubladenprojekten Gelder abgreifen können, die frei wurden, weil Berlin nicht alle Fördermittel abrief. Es zeichnet eine gute Verwaltung aus, nicht erst dann mit der Planung zu beginnen, wenn Fördertöpfe entdeckt wurden. Wenn das Land Berlin keine Planung in der Schublade hätte, wäre das ein Skandal. Das angeblich so unter Personalnot leidende Stadtentwicklungsressort ist auf dem Fachgebiet, dem es seinen Namen verdankt, geradezu vorbildlich bei der Erörterung und Präsentation von langfristigen Perspektiven. Könnte es sein, dass es bei der Verkehrsplanung und Umsetzung verschiedener Vorhaben auch deshalb hakt, weil im Fachressort, in der Politik und in der Verwaltung die Verkehrserleichterungs- mit der Verkehrsverhinderungsfraktion in einem stillen Dauerclinch liegt und schon deshalb Entscheidungsprozesse bis zum Scheitern verlangsamt werden?

Abhilfe schaffen

Noch nicht gesprochen wurde von der politischen Verantwortung. Die Fraktionsvorsitzenden von SPD und CDU, Raed Saleh und Florian Graf, sind zu Recht stolz darauf, dass die Regierungsfraktionen das Heft des Handelns immer wieder in die Hand nahmen und dadurch die Landesregierung, also die Exekutive, zu anderen Schwerpunktsetzungen und Akzentverschiebungen zwangen. Diese beiden „Macher“ sollten sich einmal um die Frage kümmern, ob wirklich die Arbeit von Fachressorts durch falsche Sparmaßnahmen behindert wird. Falls ja, sollten sie Abhilfe schaffen. Dazu, dafür hat das Parlament seine Macht.

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