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Schulreform: Berliner Brei

Die erste Erfahrung mit der Schulreform zeigt: Es muss eine Reform der Reform geben. Bei der Ausstattung der Gymnasien und Sekundarschulen läuft etwas schief.

Einen Tod muss man sterben. So viel steht fest, nachdem das neue Aufnahmeverfahren für die Oberschulen seinen ersten Praxistest durchlaufen hat. Viele Ungerechtigkeiten des alten Verfahrens sind beseitigt. Gleichzeitig sind aber neue entstanden.

Besonders offenkundig läuft etwas bei der ungleichen Ausstattung der Gymnasien und Sekundarschulen schief: Die Sekundarschulen bekommen kleinere Klassen zugebilligt, dazu Sozialarbeiter sowie Hausaufgabenbetreuung, und sie haben ein Jahr mehr Zeit bis zum Abitur – weil sie normalerweise die problematischen und leistungsschwächeren Kinder versorgen müssen. Wenn der Senat es den Sekundarschulen jetzt ermöglicht, sich die Spitzenschüler herauszupicken, muss er selbstverständlich auch die üppigere Personalausstattung kappen. Andernfalls würde er sich dem Vorwurf aussetzen, die Gymnasien in den Brennpunkten einseitig zu benachteiligen, die – ob in Kreuzberg oder Wedding – ihre Schüler in großen Klassen und ohne Unterstützung durch Sozialarbeiter zum Turbo-Abitur führen müssen. Gerecht ist das nicht.

Dabei wollte er doch gerecht sein, Deutschlands dienstältester Minister, der Berliner Bildungssenator Jürgen Zöllner. Er wollte unbedingt verhindern, dass Spätzündern der Weg zum Gymnasium verbaut wird. Deshalb wollte er keinen Numerus clausus und keine Aufnahmetests. Deshalb wollte Zöllner erreichen, dass jeder Schüler zumindest ein Probejahr lang Gymnasialluft schnuppern kann. Zöllner hat es aber versäumt, im Gegenzug den Gymnasien auch die personellen Möglichkeiten zu geben, sich um diese Spät- oder Gar-nicht-Zünder entsprechend zu kümmern. Jedenfalls ist bisher nicht davon die Rede, dass zumindest die siebten Klassen etwas besser ausgestattet werden. Somit lässt der Senator ausgerechnet die auflaufen, um die es ihm doch besonders gegangen war.

Das ist irritierend und inkonsequent, denn dem Ziel, keinem die Tür am Gymnasium zu verschließen, wurde doch alles andere untergeordnet. So etwa die Warnung der Sekundarschulen, nur wenige leistungsfähige Kinder an sich binden zu können, wenn erstmal alle Schüler das Recht hätten, das Gymnasium auszuprobieren.

Herausgekommen ist jetzt ein großer Brei von Nicht- oder jedenfalls Nicht-so-Gewolltem. Dazu gehört ohne Frage die Tatsache, dass es weiterhin Gymnasien mit Realschulklientel gibt, aber auch der Umstand, dass angebliche Sekundarschulen zu Gymnasien mutieren, weil sie – anders als früher – keine Haupt- oder Realschülerquote mehr einhalten müssen.

Einen Tod muss man sterben. Aber welchen? Noch ist es zu früh, alle Auswirkungen des neuen Aufnahmeverfahrens abzuschätzen. Ein Zurück zur alten Wohnortregelung darf es nicht geben, denn kein Kind sollte für den Wohnsitz der Eltern bestraft werden. Es kann nur darum gehen, die Nachteile der jetzigen Regelung abzumildern. Vielleicht durch eine Wiederbelebung der Quotenregelung für Sekundarschulen. Vielleicht durch flankierende Aufnahmetests an Gymnasien. Eine schöne Knobelaufgabe für den nächsten Senat.

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