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Meinung: Berliner Koalition: Das Fundament ist Hoffnung

Zunächst die gute Nachricht: Die rot-rote Koalition verzichtet doch auf eine Getränkesteuer in Kneipen. Bei den Verhandlungen über eine Ampelkoalition war die SPD noch dafür, so sehr, dass die FDP nicht mehr mitmachen wollte.

Zunächst die gute Nachricht: Die rot-rote Koalition verzichtet doch auf eine Getränkesteuer in Kneipen. Bei den Verhandlungen über eine Ampelkoalition war die SPD noch dafür, so sehr, dass die FDP nicht mehr mitmachen wollte. Jetzt verzichten die Sozialdemokraten plötzlich aufs Trinkgeld, und es herrscht wieder Ruhe am Stammtisch. Wie schön. Denn es geht in Berlin um ganz Großes. Für den Neubeginn wurde immerhin eine Regierung gestürzt. Die Republik begann, sich für die Hauptstadt zu interessieren. Wer will sich da mit Belanglosigkeiten aufhalten?

Aber jetzt die schlechte Nachricht: Im Berliner Senat wird demnächst mehr gehofft als regiert. SPD und PDS haben das Kunststück vollbracht, eine Koalitionsvereinbarung zu beschließen, die riskant und mutlos zugleich ist. Sie haben es schnell geschafft, innerhalb von zwei Wochen. Doch das Tempo haben die nahenden Weihnachtsferien bestimmt. So bleibt manches offen und ungefähr. Hoffentlich geht das gut.

Im Öffentlichen Dienst sollen zwei Milliarden Mark gespart werden. So weit war die SPD in ihren Verhandlungen mit FDP und Grünen auch schon. Die PDS dagegen sprach von einer virtuellen Rechnung und Mogelpackung. Nun mogelt sie mit. Denn eine reale Rechnung wird nur daraus, wenn die Beschäftigten - unter anderem - auf einen Teil ihres Gehalts verzichten, ohne dass die Gewerkschaften auf die Barrikaden gehen. Doch die haben schon begonnen, sie zu bauen. Der Bund soll Sonderlasten Berlins übernehmen. Doch der Finanzminister will partout nicht bezahlen, die anderen Länder wollen das erst recht nicht. Vielleicht zieht das Land vors Verfassungsgericht, vielleicht entscheidet das Gericht für das Land. Vielleicht aber auch nicht. Und sicher nicht so schnell.

In acht Jahren soll Berlin keine neuen Kredite mehr aufnehmen. Aber in den nächsten beiden Jahren steigt die Neuverschuldung höher denn je, trotz virtueller Rechnungen und Mogelpackungen. Berlin soll Professoren und Investoren anlocken. Aber das Land gibt ein Universitäts-Klinikum auf und lässt die Hochschulmedizin einfach vertrocknen, zweifelt am Wachstum der Stadt und lässt die Wirtschaft an der Stadt noch verzweifeln. Über den Flughafen gibt es eine Entscheidung: Das Gericht soll entscheiden. Die SPD hofft: dafür. Die PDS hofft: dagegen.

Ganz ohne Hoffnung ist auch nicht gut regieren. Aber hier regiert zu viel davon. Dabei hat die Koalitionsvereinbarung auch ihre guten Seiten: Kürzungen und Veränderungen, die das Soziale betreffen, werden behutsam, nicht brutal angegangen, Vermögensverkäufe konsequent, aber nicht panisch verfolgt. Ein bisschen Schmerz muss sein, das war klar. Aber die Stadt bekommt auch mehr Ganztagsschulen, und die kann sie gut gebrauchen. Die Zahl der Lehrer wird verringert, nur nicht drastisch. Das Wasser, in Berlin bisher billiger als in anderen Städten, kostet bald etwas mehr; aber die Kita-Gebühren bleiben stabil.

Die Reform der Verwaltung wird tatsächlich nicht aufgeschoben oder gar vergessen, sie wird weiterverfolgt. Aber hier sind wir auch schon wieder beim Hoffen angelangt. Auch beim Wundern. Denn in den Vereinbarungen von SPD und PDS findet sich nichts von Bedeutung, was die SPD nicht auch mit der CDU, mit den Grünen oder der FDP geschafft hätte. Und, dies zur Erinnerung und nur so ganz nebenbei: Eine Idee von der Stadt ist anhand der Beschlüsse nicht zu erkennen. Stattdessen werden, ganz sicher, zum Schluss wieder nur ein paar Visionen in den Koalitionsvertrag geschrieben. Umso wichtiger ist jetzt eine weitsichtige Auswahl von Senatoren, die fähig sind, ihren verbliebenen Spielraum dynamisch zu nutzen. Noch wichtiger ist, dass der Regierende Bürgermeister seinen Kompass nordet und zu führen beginnt. Was der Koalitionsvertrag nicht sagt, muss er sagen: Auf welchem geistigen Fundament steht dieser Senat? Ist er, zum Beispiel, für Religionsunterricht oder dagegen? Wie sieht die Stadt aus, auf die hinregiert wird?

Aber war da nicht noch etwas? Richtig, die Motorbootsteuer, noch so eine Belanglosigkeit, die zum Kurzschluss der Ampel beitrug. Auch die Motorbootsteuer wird es nicht geben. War nicht so ernst gemeint, heißt es heute. Da kann einem der Spaß schon vergehen.

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