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Meinung: Berliner Krise: Aushalten, um anzukommen

Was wollen die Berliner? Wenn die Sozialdemokraten auf diese große Frage nur eine Antwort hätten, dann wären ihre Probleme kleiner.

Was wollen die Berliner? Wenn die Sozialdemokraten auf diese große Frage nur eine Antwort hätten, dann wären ihre Probleme kleiner. Die Große Koalition hat nur eine geringe Akzeptanz in der Stadt und die Spendenaffäre der CDU hat Spuren hinterlassen. Vier von zehn Wählern sind nach der Tagesspiegel-Umfrage für Neuwahlen - doch nur jeder fünfte Berliner befürwortet eine neue Koalition aus SPD, PDS und Grünen. Raus aus der ungeliebten Großen Koalition - sofort; wenn bloß klar wäre, wohin die Reise gehen soll.

Was macht in dieser Lage die bei der letzten Wahl mit 22 Prozent gebeutelte SPD? Sie wird ganz, ganz staatsmännisch. Aus Not, weil es keine rechte Strategie gibt, aus Klugheit, weil es keine Alternative gibt. Noch nicht. Über Wochen wiesen sie es von sich, der CDU in der Spendenaffäre um Fraktionschef Landowsky gute Ratschläge zu geben oder gar den Rücktritt zu fordern. Das sollte die CDU ganz allein klären. Lange hat es gedauert, bis führende SPD-Politiker ihre Zurückhaltung aufgaben.

Das war nicht fehlender Mut dem Koalitionspartner gegenüber. Der Berliner wird schon merken, was von der christdemokratichen Krisenbereinigung zu halten ist, mögen sich die SPD-Strategen gedacht haben. Steter Tropfen wird den Stein schon aushöhlen - und das Vertrauen in die Diepgen-Partei. Die Durchhalteparolen von Klaus Landowsky, die milden Strafen des CDU-Ehrenrats - die CDU tut einiges, um den Unwillen der Berliner zu verstärken. Hat die Berliner Landesregierung nicht Besseres zu tun? Die Landeskasse ist leer, eine Haushaltssperre verhängt, die Bankgesellschaft Berlin trudelt bedrohlich. Die Berliner haben schließlich die Große Koalition nur deshalb gewählt, weil nach der Einheit große Aufgaben zu lösen waren und sind.

Beständig zu sticheln, die Krise am Köcheln zu halten, das reicht nicht als Strategie. Noch sind die Christdemokraten stärkste Partei - obwohl zwei Drittel der Berliner Landowskys Rücktritt fordern. Was die Stadt braucht, ist ein handlungsfähiger Senat. Davon aber kann nicht die Rede sein. Der Untersuchungsausschuss zur Spendenaffäre wird die Arbeit der Koalition über Monate lahm legen - mit der Aussicht auf immer neue Brandherde, auf ständig neue Enthüllungen. Wie lange soll, wie lange können die Berliner diese Krisenstimmung ertragen? Welchen Schaden nimmt das Ansehen der Hauptstadt im Bundesgebiet, wie verschreckt werden die dringend benötigten Investoren durch die Dauerkrise?

Neuwahlen? Dazu muss sich das Abgeordentenhaus mit Zweidrittel-Mehrheit auflösen - mit den Stimmen der CDU. Das ist für die Christdemokraten kein Thema. Wie also will die SPD aus der babylonischen Gefangenschaft herauskommen? Sie ist nicht zu beneiden. Denn selbst die Stärkung der eigenen Position ist bei baldigen Neuwahlen nicht ausgemachte Sache. Gegenüber dem historischen Tief bei der Wahl 1999 hat die SPD zwar zugelegt. Von der Spendenaffäre aber konnten sie bislang in der Wählergunst nicht profitieren. Zu deutlich sind die eigenen Defizite - programmatisch und personell. Ohne überzeugendes Führungspersonal könnten die Berliner Sozialdemokraten versucht sein, ihr Schicksal mit dem sozialdemokratischen Kanzler zu verknüpfen. Nächstes Jahr ist Bundestagswahl. Huckepack mit Rot-Grün im Bund zum Wahlsieg in Berlin? Das ist lange hin, zu lang für die aktuellen Probleme der Stadt.

Aus der Klemme helfen kann der SPD deshalb am besten eine CDU, die weiterhin so halsstarrig die Krise verdrängt wie in den vergangenen Wochen und auf Durchhalteparolen setzt. Je länger sich der CDU-Landesvorsitzende Eberhard Diepgen weigert, seinem Fraktionschef Landowsky den Stuhl vor die Tür zu setzen, um so leichter hat es die SPD. Das ist nicht die Stunde der Opposition, sondern der regierenden Sozialdemokraten. Der Platz der SPD ist in der Koalition, um dort die Aufgaben der Stadt zu bewältigen. Und darauf hinzuweisen, dass dieser Senat handlungsfähig zu sein hat - um des Wohls der Stadt willen. Der Wähler hat die Sozialdemokraten beauftragt, zu regieren - so lange, wie es geht. Ist das mit einer krisengeschüttelten CDU nicht mehr der Fall, dann wird die SPD darüber nachzudenken haben, ob sie ihre Senatoren zurückzieht. Die Alternative ist dann ein CDU-Minderheitssenat. Alles tun, was der Stadt nutzt - dann aber aus der Opposition heraus. Wie lange könnte die CDU dem öffentlichen Druck nach Neuwahlen dann standhalten?

Hintergrund: Online Spezial zur Landowsky-Affäre Die Empfehlungen des CDU-Ehrenrates im Wortlaut

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