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Meinung: Berliner Luftverkehr: Warteschleife über Schönefeld

Der Pilot galt als erfahren und zuverlässig, seine Maschine gehörte zu den weltweit erfolgreichsten und erprobtesten Modellen. Dennoch stürzte er beim Anflug auf den Flughafen Tempelhof ab, möglicherweise wegen eines Motorenschadens.

Der Pilot galt als erfahren und zuverlässig, seine Maschine gehörte zu den weltweit erfolgreichsten und erprobtesten Modellen. Dennoch stürzte er beim Anflug auf den Flughafen Tempelhof ab, möglicherweise wegen eines Motorenschadens. Seine Frau und er selbst starben in den Trümmern, und es gleicht einem Wunder, dass nicht mehr Menschen ums Leben kamen. Anwohner und die Bürgerinitiative gegen das Luftkreuz fordern nun die sofortige Schließung der beiden innerstädtischen Flughäfen Tempelhof und Tegel. Wenn man sich ausmalt, was hätte passieren können, versteht man die Empörung.

Der Zorn verstellt jedoch den Blick darauf, dass sich gerade beim Betrieb der beiden innerstädtischen Flughäfen seit dem Ende der Blockade 1949 bis vergangenen Donnerstag kein einziger tödlicher Unfall ereignet hat. Unglücke mit einer großen Zahl von Todesopfern gab es 1972, 1986 und 1989 bei Starts und Landungen in Schönefeld, in allen drei Fällen mit Maschinen sowjetischer Bauart. Die Sicherheitsstandards sind also offensichtlich hoch und zuverlässig. Unter normalen Umständen würden heute dennoch weder Tegel noch Tempelhof mehr als Verkehrsflughäfen genutzt. Wenn der Westteil der Stadt nicht eingeschlossen und von seinem Hinterland abgetrennt worden wäre, hätte man sich schon vor Jahrzehnten an alternative Planungen gemacht. Dies war erst nach der Wiedervereinigung möglich. Dass die Planungen nicht schneller voran gingen, hängt mit der schwierigen Finanzierung des neuen Großflughafens Berlin-Brandenburg-International, BBI, zusammen und damit, dass Bürgerinitiativen alles daran setzen, das Projekt zu Fall zu bringen - um den gerne verschwiegenen Preis, dass man so lange weder Tempelhof noch Tegel schließen kann.

Dennoch muss ein solcher Unfall Anlass zum Nachdenken darüber sein, ob die bestehende Planung noch zeitgemäß ist. Der Konsensbeschluss zwischen Berlin und Brandenburg, den neuen Flughafen in Schönefeld zu bauen, stammt aus dem Jahr 1996. Man einigte sich darauf, Tempelhof still zu legen, wenn es einen rechtskräftigen Bebauungsplan für Schönefeld gibt, vermutlich also 2003. Tegel soll mit der Inbetriebnahme von BBI im Jahre 2007 aus den Flugplänen gestrichen werden. Ob der Platz nicht vielleicht als Regierungsflughafen offen gehalten werden sollte, wäre eine neue Erörterung wert. Eine Straffung des gesamten Terminplans scheint angesichts der bisherigen Verzögerungen jedoch unmöglich. Zusätzlichen Linienverkehr, etwa von Tempelhof, könnte Schönefeld zwar problemlos verkraften, aber die Airlines lassen sich juristisch nicht zu einer Verlegung zwingen. Ob die Passagiere den auf dem Straßenweg miserabel und auf der Schiene noch recht unvollkommen angebundenen Flugplatz Schönefeld jetzt schon annehmen würden, ist zudem mehr als fraglich. Da bleibt auch bis 2003 noch viel zu tun.

Unterhalb dieser Ebene bestehen aber Handlungsbedarf und Handlungsmöglichkeiten. Es gibt keinen erkennbaren Zwang, aus dem heraus in wachsendem Maß Privatflieger und einmotorige Maschinen die beiden innerstädtischen Flughäfen anfliegen müssen. Im Umland gibt es zahlreiche, früher militärisch genutzte Landeplätze, die sich jetzt schon Privatfliegern anbieten. Eine Verlagerung dorthin würde die Sicherheit für Berlin erhöhen und wäre zudem ein wünschenswerter infrastruktureller Anstoß für die Entwicklung im Umland. Im Interesse dieser Sicherheit sollten wir uns alle freuen, wenn im Jahr 2003 der Flughafen Tempelhof geschlossen werden kann. Die Zeiten der Teilung sind vorbei - auch im Luftverkehr.

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