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Richtige Wahl? Am Sonnabend ist Einschulung an den Berliner Oberschulen. Der Streitfall am Johannisthaler Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium wird vielen Eltern von Schulanfängern zu denken geben.

© dapd

Berliner Schulkampf: Da krankt was am System

Beim Aufruhr am Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium in Johannisthal geht es nicht nur um kranke Pädagogen und eine herrische Direktorin. Die mehr als 20 Reformvorhaben der letzten Jahre haben die Schulen in der Stadt komplett verändert. Die Folgen spüren wir nun.

Brandbriefe haben Vorgeschichten. Bevor ein Brandbrief die Neuköllner Rütli-Schule bundesweit bekannt machte, war die Einrichtung nicht zuletzt durch handfeste Mängel in der Schulleitung zur Problemzone geworden. Wie sehr es auf die Schulleiter ankommt, zeigt andererseits im selben Bezirk das Albert-Schweitzer-Gymnasium, wo der Direktor aus einer gemiedenen Lehranstalt ein gefragtes Vorzeige-Gymnasium machte.

Der Aufruhr am Johannisthaler Gebrüder-Montgolfier-Gymnasium, an dem Lehrer gegen die Direktorin rebellieren und sich reihenweise krank melden, wird deshalb vielen Eltern zu denken geben – auch jenen, deren Kinder am Sonnabend eingeschult werden. Da geht es nicht nur um kranke Pädagogen, die Unterrichtsausfall in Kauf nehmen, oder eine als diktatorisch geltende Direktorin, um einen Einzelfall mithin – hier krankt was am System. Es geht um die Stellung des Schulleiters, die Abgründe der Verbeamtung und eine hilflose Bildungsverwaltung.

Die mehr als 20 Reformvorhaben der letzten Jahre haben Berlins Schule komplett verändert. Mit der Hauptschule wurde ein Schulzweig abgeschafft und mit der Sekundarschule ein neuer Weg beschritten; das Einschulungsalter wurde herabgesetzt und die Zeit bis zum Abitur verkürzt. Vom umstrittenen jahrgangsübergreifenden Lernen in der Grundschule und der anstehenden Integration von behinderten Kindern zu schweigen.

Berlin gilt bundesweit als Reformvorbild. Nahezu unverändert aber ist geblieben, wie es hinterm Schultor im Unternehmen Schule zugeht. Der ehemalige Bildungssenator Jürgen Zöllner scheiterte ausgerechnet bei der Organisations-Modernisierung. Die eingeführten Schulinspektionen dokumentieren nun zwar das an einigen Orten bestehende Elend, bloß ändert sich wenig, weil unfähige Lehrer und überforderte Schulleiter als Beamte höchstens versetzt, aber nicht aus dem Betrieb abgezogen werden können. Das kann selbst leistungsfähige Schulen enorm belasten und nicht so gute Schulen an den Abgrund führen.

Längst bemüht man sich, Schulleiter sorgfältig auszuwählen. Doch weil immer noch gilt, dass der Bewerber mit der höchsten Gehaltsstufe den Job bekommt, ist A 16 gegen A 14 entscheidender als pädagogische Begabung und Managementfähigkeit. Aber ja, es geht um Manager eines Bildungsunternehmens. Sie sollen das Beste für ihre Kunden – die Kinder – erreichen. Ein Unternehmenschef, der über keinerlei Personalhoheit verfügt, kann allerdings nur scheitern. Denn das ist die zweite Seite der Konflikte im Lehrerzimmer: Kollegien, die sich gegen neue Wege und Ideen des Direktors sperren, mit denen die Schule vorangebracht werden soll, und sich stattdessen in die innere Verweigerung flüchten oder krankschreiben lassen – abgesichert durch öffentlichen Dienst und Beamtenstatus.

Der Senat lehnt zu Recht die von Lehrerverbänden geforderte Rückkehr zur Verbeamtung ab. Anders als Polizisten haben Pädagogen keine hoheitliche Aufgabe – und auf Lehrer, die nur beamtet Kinder bilden wollen, kann man verzichten. Der Johannisthaler Schulkampf illustriert deswegen, wie der Beamtenstatus eine Lösung verstellt. Nach dem Reformstakkato will der Senat auf weitere Neuerungen verzichten, damit die Reformen wirken können: Schulfrieden ist versprochen. Doch zu einem gedeihlichen Frieden und anregender Lernatmosphäre gehört offenkundig mehr. In Johannisthal ist Krieg – unter dem vor allen die Schüler leiden.

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