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Berliner Schulpolitik: Ein wahrer Geldsegen

Berlins Junglehrer bekommen 1200 Euro mehr Gehalt – das weckt Begehrlichkeiten. Ärgerlich ist freilich: Hätte Berlin früher reagiert, wäre es erst gar nicht zu einer Abwanderung von Lehrern gekommen.

Der strenge Kassenwart tritt ab – und schon wird in Berlin das Geld wieder mit vollen Händen ausgegeben? So muss es an dem Tag wirken, an dem Finanzsenator Sarrazin seinen Abschied verkündet und das noch immer arme Land Berlin beschließt, den Junglehrern 1200 Euro mehr und damit 3846 Euro zu zahlen. Das ist im Gewerkschafter-Jargon ein kräftiger Schluck aus der Pulle, ganz ohne Arbeitskampf. Da wird jeder Arbeitnehmer neidisch.

Auch Thilo Sarrazin hat der happigen Gehaltserhöhung zugestimmt; ob abschiedsmilde gestimmt, darf sich jeder denken. In der Tat aber blieb dem Berliner Senat nichts anderes übrig, als die Gehälter für Junglehrer deutlich zu erhöhen, um deren Massenabwanderung zu stoppen. „Sehr guten Morgen, Herr Lehrer“, plakatiert Baden-Württemberg in der Hauptstadt und andere Bundesländer werben ähnlich offensiv. Dort winken schnelle Verbeamtung und mehr Geld. Dieser Wettbewerb wird sich noch verschärfen, wenn eine alternde Lehrergeneration in Pension geht. Selbst mit der versprochenen Gehaltserhöhung liegen Berliner Lehrer noch unter den Einkommen in Baden-Württemberg. Die Senatsoffensive ist deshalb notwendig und richtig – und neben Geld gibt es andere Bleib-Argumente: Berlin kann mit niedrigen Mieten und Lebenshaltungskosten sowie einem attraktiven Kulturleben glänzen.

Ärgerlich ist freilich: Hätte Berlin früher reagiert, wäre es erst gar nicht zu der Abwanderung gekommen. Jahrelang hat der Senat alle Warnungen vor einem Lehrermangel ignoriert. Junge, qualifizierte Lehrer hatten keine Chancen auf eine Stelle. Dass sie woanders verbeamtet werden und hier nur Angestellte sind, war aber nur für wenige ein Grund, die Stadt zu verlassen. Nun ist es fast zu spät. Berlin muss feststellen, dass immer weniger Junglehrer auf dem Markt sind.

Mehr Pädagogen aber braucht die Hauptstadt, um die ehrgeizigen Reformpläne umzusetzen. Ohne engagierte und motivierte Lehrer kann Bildungssenator Jürgen Zöllner die Verschmelzung von Haupt-, Real- und Gesamtschulen zu Sekundarschulen neben den Gymnasien nicht bewältigen, ohne zusätzliches Personal nicht die wachsenden sozialen Probleme an Berlins Schulen meistern, etwa die alarmierende Zahl von Gewalttaten. Wer es gerne hat, wenn Schüler mit „Sehr guten Morgen, Herr Lehrer“ grüßen, wird sich jedenfalls weiterhin überlegen, ob er nicht im braven Baden-Württemberg besser aufgehoben ist.

Zöllner hat mit der Gehaltserhöhung erneut bewiesen, dass er anders als sein Vorgänger durchsetzungsfähig ist. Aber ein anderes ist ebenfalls sicher: die Unruhe in Berlins öffentlichem Dienst. Der wird sich nun abgehängt und diskriminiert fühlen – von den Kita-Mitarbeitern bis zu denen der überlasteten Ordnungsämter. Ende des Jahres läuft in Berlin der sogenannte Solidarpakt aus. Dann steht den Beschäftigten nach jahrelangem Lohnverzicht eine deutliche Gehaltserhöhung zu. Spätestens zu dem Zeitpunkt wird sich der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit an Sarrazin erinnern.

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