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Meinung: Berliner Senat: Ein Wechsel in Zeitlupe

Die Zukunft hat schon begonnen. In der Berliner Landespolitik brechen nun die Krusten auf, die im Grunde seit Mauerzeiten über der Stadt liegen.

Die Zukunft hat schon begonnen. In der Berliner Landespolitik brechen nun die Krusten auf, die im Grunde seit Mauerzeiten über der Stadt liegen. Im elften Jahr der krisenreichen Großen Koalition zeichnet sich ein neues Kräftespiel ab. Das heißt natürlich nicht, dass die Koalition von heute auf morgen zerbricht, vorzeitige Neuwahlen stattfinden und obendrein ein rot-rot-grüner Senat gebildet wird. Den Wechsel kann man gar nicht kurzfristig herbeiführen. Aber auf der politischen Bühne ändert sich die personelle Rollenverteilung, und neue Personen sind nicht vom alten Hickhack beseelt, sondern suchen eigene Wege.

Die Noch-Koalitionspartner CDU und SPD üben die Aufstellung ihrer Mannschaft für die nächste Berliner Wahl. Bei der CDU ist der Generationswechsel am deutlichsten, und er kommt schneller als gewollt. Ihr mächtigster Mann, Fraktionschef Klaus Landowsky, muss wegen seiner Parteispendenaffäre gehen. Daran ist SPD-Fraktionschef Klaus Wowereit nicht unbeteiligt; hat die CDU mit aller Konsequenz vor die Alternative gestellt: Landowsky oder die Koalition. Am Dienstag wählt die CDU-Fraktion ihren neuen Fraktionschef Frank Steffel, der zu großen Hoffnungen Anlass gibt, aber es mit seinen 35 Jahren nicht leicht haben wird, in die Fußstapfen des begnadeten Machtstrategen Landowsky zu treten.

Natürlich wird Landowsky noch gebraucht. Heute stellt er sich auf dem CDU-Parteitag der Wahl zum stellvertretenden Landesvorsitzenden. Er wird in seiner Partei mehr den Ton angeben, als manche denken. Wird Eberhard Diepgen, der seit 1984 mit zweijähriger Unterbrechung, Regierender Bürgermeister und seit 1983 CDU-Chef ist, zur nächsten Wahl noch einmal antreten? Das ist sein Geheimnis und die einzige Unbekannte. Um Spitzenkandidaten ist die CDU aber nicht verlegen, denkt man an Finanzsenator Peter Kurth und Frank Steffel.

Bei der SPD läuft die Spitzenkandidatur auf Klaus Wowereit hinaus. Er hat, ganz anders als Parteichef Peter Strieder, hohe Sympathiewerte. Er zeichnet sich durch liebenswürdiges Auftreten, geschicktes Taktieren und knallharte Konsequenz aus. Was die Personalien betrifft, brauchten die Parteien also keine Sorgen vor Neuwahlen zu haben. Es gibt aber noch ein paar andere Probleme, und deshalb wird sich die Große Koalition wohl noch bis zur turnusmäßigen Wahl 2004 hinschleppen. Erstens ist sich die SPD nicht einig, wie sie es mit der PDS hält, zweitens sind die 22,4 Prozent der letzten Wahl kein Pfund, mit dem sie wuchern kann, drittens kann sie die Selbstauflösung des Abgeordnetenhauses nicht herbeizaubern. So einfach ist das. Folglich wird der Kampf um den Wechsel langfristig vorbereitet. Von der absoluten Mehrheit für die CDU bis Rot-Rot-Grün ist alles drin. Selbst die Auferstehung der FDP ist nicht auszuschließen.

Ist es nun für Wowereit ein Glück, dass er sich zur Nummer eins der SPD vorarbeitet? Sagen wir, eine Chance. Eine schwachbrüstige SPD kann sich keinen deus ex machina vom Bundeshimmel holen. Immerhin hat er an der "Landowsky-Krise" Statur gewonnen, die SPD an Selbstbewusstsein. Das ist ein erster Schritt, sich nach zwei Jahrzehnten wieder aufzurappeln. Die CDU weiß das auch. Sie hat schon begonnen, Wowereit aufs Korn zu nehmen.

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