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Berliner Senat: Marathon in Zeitlupe

Halbzeitbilanz: Der rot-rote Senat schleppt sich ohne Ideen dem Ziel entgegen. Dabei warten viele Probleme in der Stadt darauf, dass sie endlich angegangen werden.

Zweieinhalb Jahre haben Klaus Wowereit und seine rot-roten Senatoren noch vor sich. Doch die führenden Läufer der Koalition sind schlapp, die Opposition sucht weiter ihre Spikes und der einzige Tempomacher, Thilo Sarrazin, geht gerade aus dem Rennen. Der Langstreckenlauf der Berliner Landespolitik gleicht nach der Hälfte der Distanz einem Marathon in Zeitlupe.

Dabei warten viele Probleme in der Stadt darauf, dass sie endlich angegangen werden: Die langsam spürbare Wirtschaftskrise, Bildungsdefizite, Integrationsprobleme, die nach wie vor dramatisch hohe Überschuldung Berlins. Den dafür nötigen Elan sucht man aber vergebens. Vielmehr hat man den Eindruck, dass dem Senat die Luft ausgegangen ist. Anders als noch während der ersten Regierungszeit nach 2002, die von einem Mentalitätswechsel und vor allem einem beispielhaften Konsolidierungskurs geprägt war, hat der Senat nun offenbar keine Ziele mehr. Selbst zur Finanzkrise ist von dem Regierenden Bürgermeister – oder auch seinem Finanzsenator – nicht viel zu hören.

Klaus Wowereit gibt sich stattdessen demonstrativ unsensibel für Themen, die die Berliner bewegen. Seine Haltung gegenüber den Bürgerbewegungen für Tempelhof oder einen in den Rang eines Schulfaches erhobenen Religionsunterricht wurden nicht nur von der Opposition als stur und arrogant empfunden, unabhängig davon, was man von diesen Anliegen in der Sache hält. Man weiß inzwischen sehr genau, was Wowereit nicht will – viel mehr aber auch nicht.

Für die Nachnutzung zentraler Areale wie der Flughäfen Tempelhof und Tegel oder die Leerstelle namens Humboldt-Forum kamen vom Senat kaum eindrucksvolle Impulse und bei dem Mammutprojekt Mediaspree ließ er sich zu lange von einem fundamentaloppositionellen Kreuzberger Bündnis vorführen.

Und selbst bei dem für die Zukunft der Stadt so entscheidendem Thema Bildung lässt die Kraft dieser Regierung leider nach. Bildungssenator Jürgen Zöllner machte lange den Eindruck, als überließe er das Nachdenken über eine bessere Schulbildung der Linken, die mit der Gemeinschaftsschule für alle ein ambitioniertes Projekt verfolgt – das aber den betroffenen Lehrern, Eltern und Schülern nur schwer vermittelbar ist. Inzwischen hat sich Zöllner immerhin mit eigenen Reformideen zurückgemeldet und will die desaströsen Hauptschulen zugunsten einer integrierten Sekundarschule abschaffen – was angesichts der von der Linken trotzdem weiter munter propagierten Gemeinschaftsschule allerdings bislang mehr Verwirrung als Hoffnung bei den Betroffenen auslöst.

Der einzige Senator, der auch in der Neuauflage des rot-roten Senats eine halbwegs sportliche Figur gemacht hat, ist Thilo Sarrazin. Allerdings hatte er in den vergangenen Jahren vor allem Glück und konnte dank unerwartet guter Steuereinnahmen weitere Konsolidierungserfolge verkünden. Sein Nachfolger Ulrich Nußbaum scheint aus Bremen zumindest großen Ehrgeiz mitzubringen. Vielleicht kann er das müde rot-rote Team ja noch einmal antreiben, damit das Rennen nicht vorzeitig abgebrochen werden muss. CDU, FDP oder Grüne stehen für diese Rolle bis auf weiteres nicht zur Verfügung. Sie haben offenbar noch nicht einmal den Schuss gehört.

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