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Berlins künftiger Kulturstaatssekretär Tim Renner (links) und der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit.

© dpa

Berlins neuer Kulturstaatssekretär: Tim Renner - eine absichtsvolle Fehlbesetzung

Tim Renner wird Berlins neuer Kulturstaatssekretär. Mit ihm, diesem Quereinsteiger, hat Klaus Wowereit eine absichtsvolle Fehlbesetzung vorgenommen. Ein dialektischer Coup.

Vier Wochen lang hat er gesucht, jetzt hat der große König Klaus seinen Prince Charming. Er heißt Tim Renner, kommt aus der Popindustrie und erfüllt recht genau die Vorstellung von einem Kreativen, also jener Spezies, die Berlins Stadtkultur prägt. Natürlich soll Tim Renner seinem Mentor Wowereit nicht auf dem Posten des Regierenden Bürgermeisters nachfolgen; da kämpfen im Halbdunkel andere Diadochen. Auch Kultursenator wird er nicht so schnell, wenn überhaupt.

Tim Renner tritt Ende April als Kulturstaatssekretär an. Das ist in der Hauptstadt ein wichtigerer Posten, als es der bloße Titel verheißt. Und er ist durch die Auswahl dieses Quereinsteigers sogar noch wichtiger geworden. Von öffentlicher Verwaltung und Parlamentsarbeit versteht der Neue nichts. Ein Aktenfresser war nicht gefragt. Tim Renner redet in griffigen Formeln, er denkt schnell, sein Auftritt ist gewinnend. PR hat der gelernte Netzwerker im Blut.

Ein dialektischer Coup

Früher war ein Staatssekretär einmal Verwaltungschef. Aber darauf kommt es bei Renner gar nicht an. Ihm hat Wowereit eine andere Aufgabe zugedacht. Renner soll als Kulturstaatssekretär den großen Wandel begleiten und gestalten, den Berlin durchmacht: die kulturelle Vielfalt, die kreativen Freiräume vor allem auch für die Freie Szene bewahren und erweitern. „Be Berlin“, mit zwei Worten.

Nebenbei wären vielleicht auch noch ein paar Intendantenposten zu besetzen. Aber dazu braucht er nicht in die Oper, ins Theater zu gehen, oder? Man hat den befremdlichen Eindruck, das steht auf Wowereits Agenda ohnehin nicht weit oben. Der Regierende hat mit Renner eine absichtsvolle Fehlbesetzung vorgenommen. Ein dialektischer Coup. Und das funktioniert so: Renners Amtszeit beläuft sich auf gut zwei Jahre, bis zur Abgeordnetenhauswahl 2016. Der Doppelhaushalt 2014/15 steht, damit hat Renner nichts zu tun. Und bei den nächsten Haushaltsberatungen wird Zurückhaltung geboten sein; wegen der Wahl.

Der finanzielle Spielraum des Kulturstaatssekretärs in spe ist überschaubar. Die Mittel liegen fest. Zumal Wowereit ankündigt, es werde keine radikalen Umbrüche geben. Wohl aber Akzentverschiebungen. Das heißt: Tim Renners neuer Job ist diplomatischer Natur. Er vertritt Berlin, von Barenboim bis Berghain, vom Radialsystem bis Rammstein, wie er es nett formuliert. Er ist das neue Gesicht der Kampagne. Mit Renners Berufung rückt Kulturpolitik näher an Tourismuswerbung und Wirtschaft heran. Nur konsequent, denn auch Bildungsbürger fliegen mit Easyjet, und die jungen Berlin-Besucher, die in Hostels wohnen, gehen durchaus ins Museum.

Der finanzielle Spielraum ist begrenzt

Bei seiner Vorstellung im Rathaus hat Renner, moderiert von Wowereit, die großen Fragen angespielt, immerhin: Wie wird das mit der Stadtentwicklung und Gentrifizierung, deren Vorboten und später auch Opfer die Künstler sind? Wie ist Balance zu erreichen in einem Ballungsraum, der sich kulturell definiert, aber immer kommerzieller erscheint? Tim Renner sagt: Wir können stolz sein auf Berlin! Ja, warum auch nicht? Es ist schon alles kompliziert genug, von der Landesbibliothek in Tempelhof bis Schönefeld. Er lobt die großartige Arbeit seines Vorgängers. So harmonisch ist das hier, von Schmitz bis Renner. Mit ihm hatte niemand gerechnet. Das aber muss Kultur. Überraschen.

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