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Die Berliner sitzen im Sommer gerne draußen, wie hier auf der Kastanienallee in Prenzlauer Berg.

© Kai-Uwe Heinrich

Bewirtung auf Gehwegen: Auf Berlins Straßen herrscht kalter Krieg

Gastwirten und Cafébesuchern wird in Berlin das Leben schwer gemacht. Statt sich um sinnvollere Dinge zu kümmern, schikanieren die Ordnungsämter der Bezirke Restaurantbetreiber, die draußen Stühle aufstellen.

Auf Berlins Straßen herrscht kalter Krieg. Auf der einen Seite die Betreiber von Restaurants, Cafés, Bistros. Auf der anderen das bezirkliche Ordnungsamt. Gegenstand des Streits: Das Aufstellen von Tischen und Stühlen vor den Restaurants. Einzuräumen ist, dass der eine oder andere Gastwirt die ihm erteilte Sondernutzungserlaubnis gelegentlich überschreitet. Das Ausmaß der Überschreitung ist allerdings gering, ein paar Quadratmeter oder -zentimeter, bei einer Bußgeldandrohung von bis zu 10 000 Euro.

Mein Blick richtet sich beispielhaft auf die sogenannte City West, das Stadtgebiet, das ohne Brandenburger Tor, Bundesministerien, historisches Zentrum etc. vor sich hinlebt, gelegentlich schwächelte und – wie der Kurfürstendamm – gar totgesagt wurde. Dazu ist es nicht gekommen. Die City West lebt, und wenn die Sonne scheint, verwandeln sich ihre Straßen in eine urbane Vorgartenlandschaft. Mitursache: die reichhaltigen Angebote an Stühlen, Bänken und Tischen, vor den Restaurants auf die Bürgersteige platziert.

Den Straßen der Stadt tut das gut, sie werden bevölkert, der Autoverkehr spielt nicht mehr die beherrschende Rolle, Touristen wenden sich den Angeboten der Nebenstraßen zu. Besonders deren Geschäfte profitieren von dieser Dynamik, die, Gott sei’s geklagt, mit der zweiten, der kalten Jahreshälfte nachlässt. Ob Frühling, Sommer, Frühherbst – Berlin genießt diesen Abschnitt gern auf der Straße, manche rücken sich die Stühle in die Sonne, kein Gast hält das für ordnungswidrig, sondern sucht, mindestens halbstundenweise Entspannung, Ausruhen, verbunden mit ein bisschen Neugier und Smalltalk. Der diesen Stadtgenuss vermittelnde Restaurantinhaber muss auch im Sommer an seine hohen Kosten vor allem für Miete, Mitarbeiter, Menüs denken. Nur in der freundlichen Jahreszeit hat er die Möglichkeit, für das ganze Jahr zu überleben. Nur in der Sommerzeit profitieren die anliegenden Geschäfte. Nur in der Sommerzeit leben die Nebenstraßen auf.

Das Ordnungsamt scheint von alledem unberührt. Alle 14 Tage laufen seine Trupps durch die Straßen, kontrollieren, messen nach, versenden barsche Bescheide – der Benutzer habe „den öffentlichen Straßenraum vorsätzlich über den Gemeingebrauch benutzt“. Meist sind es ein paar Quadratmeter, ein Serviertisch, ein Blumenkübel, oft nur ein paar Quadratzentimeter. Irgendwann folgen Bußgeldbescheide, jeweils über 1000 Euro hinausgehend. Gegenvorstellungen unter Hinweis auf die Freude der Stadtgesellschaft an derartiger Straßennutzung und die Kosten des Gastwirts prallen ab.

Dabei ist die Rechtslage weniger eindeutig, als das Ordnungsamt glaubt. Das Berliner Straßengesetz bestimmt in §11 Abs.2, dass die Erlaubnis erteilt werden soll, wenn keine überwiegenden öffentlichen Interessen entgegenstehen. Worin aber bestehen solche öffentlichen Interessen? Welche Öffentlichkeit stört der Betrieb von Caféhäusern auf den Bürgersteigen? Muss es erst zum Rechtsstreit kommen?

Verehrtes Ordnungsamt: Die Caféhausterrassen stören die öffentliche Ordnung nicht, sondern sind Teil des Lebensgefühls der Stadtgesellschaft. Stellt eure Mitarbeiter für andere ordnungswidrige Vorgänge (zum Beispiel zugunsten der Radfahrer) ab, beendet den drögen kalten Krieg gegen Restaurants und Cafés, gegen ihre Gäste und uns alle. Nehmt, zur Entspannung, ruhig einmal Platz auf einer Caféterrasse auf dem Bürgersteig, in öffentlichem und privatem Interesse.

Der Autor ist Rechtsanwalt und Mitglied des Abgeordnetenhauses für die CDU.

Uwe Lehmann-Brauns

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