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Meinung: Bildung zahlt sich aus

Studiengebühren sind gerecht – und doch nur erster Schritt einer großen Reform

Eine Ära geht zu Ende in der Bundesrepublik. Erstmals seit 35 Jahren müssen sich Studierende selbst an der Finanzierung ihrer Hochschule beteiligen. Der Bund darf den Ländern Studiengebühren nicht verbieten, so das Urteil der Karlsruher Richter. Von ihrer Freiheit werden Bayern, Baden-Württemberg und andere Länder schon sehr bald Gebrauch machen. Die Richter haben sich nicht für oder gegen Gebühren ausgesprochen. Zu klären war eine Verfassungsfrage zum Föderalismus. Gleichwohl markiert das Urteil einen tiefen Einschnitt.

Jahrzehntelang bestand zwischen den Hochschulen, allen Parteien und der Wirtschaft der Konsens, dass das Studium gratis sein soll. In den letzten Jahren erodierte diese Überzeugung zusehends. Jetzt ist der Versuch der Bundesregierung, die Zeit anzuhalten, gescheitert.

Die endgültige Abschaffung des Hörgeldes 1970 war eine soziale Errungenschaft. Sie förderte die Bildungsexpansion, die damals anstand, und ermöglichte vielen den Aufstieg durch Bildung. Darf die Bundesrepublik sich davon verabschieden?

Sie muss. Das einstige Ziel, die Quantität der Studierenden zu steigern, ist erreicht. Über ein Drittel eines Jahrgangs studiert heute gegenüber fünf Prozent in den sechziger Jahren. Jetzt geht es um die Qualität. An den unterfinanzierten Hochschulen werden Forschung und Lehre erstickt. Die Unis brauchen das Geld dringend – selbst wenn Unsummen, wie sie in den USA eingespielt werden, in Deutschland weder wünschenswert noch politisch durchsetzbar sind.

Schon heute bezahlen die Studierenden – nur in anderer Währung. Im Kartoffelsackprinzip durch die Universität befördert, bezahlen sie mit Frust über die Anonymität. Mit ihrer Lebenszeit, wenn sie wegen schlechter Beratung und Betreuung ihr Fach wechseln, endlos studieren oder schließlich das Studium ohne Abschluss versanden lassen. Unter dem Deckmantel unbegrenzter Freiheit im Geiste Humboldts herrscht an Deutschlands Hochschulen heute ein elitärer Sozialdarwinismus. Ob jemand das Examen erreicht, hängt nicht allein von der akademischen Leistung, sondern von Sekundärtugenden wie Biss und Frustrationstoleranz ab. So hat die Uni einige persönliche Tragödien auf ihr Gewissen geladen und Ressourcen verschleudert.

Die Studierendenvertretungen halten es für sozial ungerecht, Studiengebühren zu verlangen. Das Gegenteil ist wahr. Studierende sind privilegiert. Sie dürfen an einem sehr wertvollen Gut teilhaben, der höheren Bildung. Es geht um viel mehr als um die besseren Jobs. An der Hochschule akkumulieren die Studierenden soziales und kulturelles Kapital, aus dem sie ein Leben lang schöpfen. Hinzu kommt: 88 Prozent der Studierenden stammen aus der Ober- und der Mittelschicht. Und die wenigen aus bildungsfernen Familien können ihre Chance ergreifen und schließlich selbst zu Profiteuren werden. So wie Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn, die aus kleinen Verhältnissen kommt, ihrem Studium aber ihre jetzige Position mit verdankt. Warum sollte sie ihrer Uni heute nicht finanziell etwas zurückzugeben?

Studierende haben meist kein Geld. Erst wenn sie nach dem Abschluss genug verdienen, sollen sie zahlen müssen – und zwar direkt an ihre Hochschule. Dafür und für die soziale Abfederung muss die Öffentlichkeit jetzt kämpfen. Die Länder dürfen das Geld nicht in ihre Haushaltslöcher stopfen.

In keinem Fall werden Studiengebühren aber alle Probleme der Unis lösen. Sie sind nur ein Mosaikstein in einer längst überfälligen großen Reform – aber er sollte es den Studierenden wert sein.

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