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Bildungsministerin verliert Doktortitel: Warum Schavan gehen muss

Annette Schavan schämte sich einst öffentlich für ihren damaligen Kabinettskollegen, den Doktor-Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg. Guttenberg trat zurück - und das sollte Schavan jetzt auch tun.

Was für ein grausames Spektakel: Eine Universität bringt eine sonst unbescholtene 57-jährige Frau vor großem Publikum um ihr Lebenswerk. Annette Schavan verliert mit dem Doktorgrad viel mehr als nur einen schmucken Titel. Sie verliert das Fundament, auf das sie ihre gesamte berufliche Biografie und ihre persönliche Identität gebaut hat. Jahrzehntelang hat Schavan sich als Politikerin für Bildung und Wissenschaft engagiert – aus Begeisterung, die früh auf die Studentin übergesprungen war. Die Aberkennung des Titels wird sie darum besonders schmerzen, sogar demütigen.
Kann es angehen, dass eine Universität Verstöße gegen ihre „wissenschaftlichen Standards“ noch nach 33 Jahren gnadenlos verfolgt? Wer so argumentiert, verkennt allerdings, dass Fälschungen die Wissenschaft in ihrem Kern verletzen. Das Wesen der modernen Wissenschaft besteht darin, bei der Suche nach Erkenntnis methodischen Standards zu folgen, die erst den Nachvollzug des Gesagten ermöglichen und so die Objektivierbarkeit der Ergebnisse erlauben. Verfährt die Wissenschaft hier großzügig, wird sie zur Esoterik und schafft sich ab.

Darum sollte jetzt auch nicht so getan werden, als sei in Schavans Privatsphäre gewühlt worden. Eine Dissertation ist nicht irgendeine Prüfung, sondern ein Stück Wissenschaft. Weil das so ist, herrscht in Deutschland für Dissertationen Veröffentlichungspflicht. Die Arbeit soll sich in der Fachwelt bewähren müssen. Auch nach 33 Jahren sind viele Dissertationen noch von Interesse, manche noch nach 200 Jahren. Die Bevölkerung muss sich die Maßstäbe der wissenschaftlichen Welt nicht zu eigen machen. Hat Schavan auch getäuscht, muss das ihre politische Leistung nicht entwerten.

So wird die Mehrheit aber nicht denken. Die Kluft zwischen Schein und Sein ist zu augenfällig. Ausgerechnet als Bundesbildungsministerin des Plagiats überführt zu werden, ist schon besonders peinlich. Noch peinlicher ist es für eine Bildungsministerin der Union. Der Markenkern konservativer Bildungspolitik besteht darin, sich unablässig gegen die Entwertung von Bildungszertifikaten durch vermeintliche „Gleichmacherei“ zu stemmen. Ein erschummelter Doktorgrad darf nicht einem ehrlich erworbenen gleichgemacht werden. Nicht zuletzt ist unvergessen, wie Annette Schavan sich öffentlich für ihren damaligen Kabinettskollegen, den Doktor-Plagiator Karl-Theodor zu Guttenberg, schämte, womöglich im Auftrag der Bundeskanzlerin. Guttenberg trat zurück.

Auch Schavan sollte zurücktreten. Ihr Krisenmanagement ist misslungen. Um der Privatperson Schavan aus der Klemme zu helfen, hat die Bundesministerin Schavan ihren Machtapparat angeworfen. Monatelang hat sie sich bemüht, mithilfe von Autoritäten aus kirchlichen, konservativen und wissenschaftlichen Netzwerken die öffentliche Meinung gegen die Universität Düsseldorf zu wenden. Die war nur gut genug, sie zu promovieren. Der falsche Eindruck sollte entstehen, das Verfahren zur Überprüfung ihrer Promotion verlaufe willkürlich, die Professoren verfolgten politische Motive. Ohne Rücksicht auf den Ruf der Universität und die Werte der Wissenschaft verkehrte und verschleierte Schavan die Tatsachen. In erstaunlicher Vereinnahmung erklärte sie sogar, sie kämpfe, weil sie das der Wissenschaft schuldig sei. Die Universität sollte sich nicht wehren dürfen, die Ministerin erteilte ihr Redeverbot. Annette Schavan hat damit die Bodenhaftung verloren.

Annette Schavan bei einer Kabinettssitzung im Januar.
Annette Schavan bei einer Kabinettssitzung im Januar.

© dpa

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