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Bildungsvergleich: Geschenk mit Wunschliste

Deutschlands Grundschüler haben ihr gutes Niveau gehalten, das ist das Ergebnis neuer großer Bildungsstudien. Doch die Erkenntnisse sind kein Grund für Festtagsstimmung. Bei genauerem Hinsehen zeigt sich deutlich, woran es im deutschen Schulsystem mangelt.

Ein schönes Weihnachtsgeschenk hat die Internationale Bildungsforschung den deutschen Grundschulen mitgebracht. Ihnen wurde am Dienstag mit neuen großen Studien attestiert, dass sie ihr gutes Niveau trotz der durch mehr Zuwanderung erschwerten Bedingungen gehalten haben. Deutschlands Viertklässler können sich also im Weltvergleich sehen lassen, wenn es ums Lesen, Rechnen und um die Leistungen in den Naturwissenschaften geht. Und sie haben mehr Spaß beim Lernen und Lesen als noch vor zehn Jahren. Das beruhigt.

Noch erfreulicher ist, was hinter diesem Befund steht: Neukölln ist nicht überall, wenn man den Forschern glauben kann. Sie haben nämlich festgestellt, dass weniger als ein Prozent der Schüler zu Hause nie Deutsch spricht, obwohl mehr als ein Viertel einen Migrationshintergrund haben. Das ist erstaunlich. Und es korrespondiert mit weiteren positiven Entwicklungen bei den Lernleistungen, die die Forscher unter den Schülern aus Migrantenfamilien festgestellt haben.

Doch gäbe es auch gute Gründe, dieses Weihnachtsgeschenk wieder zurückzugeben. Denn es enthält allerlei Details, die den Schulen die Festtagsstimmung erheblich vermiesen dürften. Dazu gehört, dass trotz aller Erfolge bei der Migrantenförderung der Rückstand zu den deutschsprachigen Kinder immens bleibt und noch immer fast ein ganzes Schuljahr beträgt. Dazu gehört, dass Deutschland sich weiterhin ein Fünftel Viertklässler leistet, die kaum Chancen auf eine erfolgreiche weitere Schullaufbahn haben – so weit abgeschlagen vom Mittelfeld sind ihre Ergebnisse. Und nur zehn Prozent zeigen Spitzenleistungen. Die übrigen Talente werden vergeudet, während andere Länder Spitzengruppen hervorbringen, die doppelt so groß sind.

Es sind nicht nur die Asiaten mit ihrem Drill, die Deutschland hinter sich lassen. Es sind auch europäische Länder wie England, Dänemark, Russland oder Litauen unter jenen, deren Schulsysteme viele Schüler auf der Überholspur zulassen.

Auf der Suche nach Antworten stoßen die Forscher auf viele Unterschiede im Schulalltag und bei den Ressourcen. Geradezu elektrisierend dürfte aber die Nachricht wirken, dass kaum ein anderes Land seine Lehrer so allein im Klassenzimmer stehen lässt wie Deutschland: Sie müssen weitgehend ohne Fachkräfte auskommen, die ihnen zum Beispiel bei der Leseförderung zur Seite stehen könnten. Nur Italien toppt diesen Negativbefund. Dagegen stehen Länder wie Finnland, die ihren Lehrern stets eine zweite Kraft an die Seite stellen, obwohl sie nur einen Bruchteil der Migrantenquote haben.

Wer allein ist, kann nicht allen gerecht werden. Vor allem dann nicht, wenn er in der Ausbildung nur Frontalunterricht gelernt hat. Deutschland ist offenbar noch weit davon entfernt, die viel beschworene Binnendifferenzierung zu schaffen, die darin bestünde, Schülern unterschiedlicher Leistungsfähigkeit eine individuelle Förderung angedeihen zu lassen.

All dies zeigt diese Studie. Dennoch hat sie sehr wohl das Potenzial eines großen Weihnachtsgeschenks. Auch für die Bildungspolitiker. Sie können jetzt hoch erhobenen Haupts in den Kabinetten sitzen und ihren Forderungen nach einer auskömmlichen Finanzierung Nachdruck verleihen, denn ihre Botschaft lautet: Unsere Grundschulen sind auf einem guten Weg. Ihre Schüler lernen gern und lesen gern. Aber man muss ihnen noch mehr dabei helfen. Mit zusätzlichen Kräften für Migranten, Störer oder Hochbegabte. Damit die Lehrer nicht den Mut verlieren und die Schüler nicht die Lust.

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