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Meinung: Blassgrüne Handschrift

Von Malte Lehming

Als die Kosovokrise begann, führte Joschka Fischer das AWort im Mund. A wie Auschwitz. Das war ziemlich hoch gegriffen, kam aber von Herzen. Wozu hat Deutschland einen grünen Außenminister, wenn dieser bei schweren Menschenrechtsverbrechen nicht etwas pathetisch wird? Wie Genscher reden kann schließlich jeder. Fischer dagegen verkörperte eine neue Hoffnung. Er sollte die deutschen Interessen im Ausland vertreten – und moralisch offensiv sein. In dieser Kombination lag ein Stück Verheißung.

In Sudan herrscht derzeit das größte humanitäre Elend seit den Völkermorden von Ruanda. Auch Kosovo stellt es in den Schatten. In der westlichen Provinz Darfur, die so groß ist wie Frankreich, sind mehr als eine Million Menschen vor Folter, Mord und Vergewaltigung auf der Flucht. Rund 300 der 576 Ortschaften sind von den Milizen, die von der Regierung unterstützt werden, komplett zerstört worden. Jede Woche sterben tausend Flüchtlinge an Hunger. Wenn nicht bald etwas geschieht, werden es zehntausend sein. In dieser Woche haben US-Außenminister Colin Powell und UN-Generalsekretär Kofi Annan die Region inspiziert. Solche Besuche setzen die Regierung in Khartum erheblich unter Druck. Powell droht mit einer scharfen Resolution des UN-Sicherheitsrats.

Und Deutschland? Hört man in Fischers Reden wieder das A-Wort? Plant der Grüne eine Ad-hoc-Reise in die Krisenregion? Nichts davon. Ende April hat Fischer seine „extreme Besorgnis“ über die Lage zu Protokoll gegeben, mit dem Problem selbst befasst sich eher seine Staatsministerin Kerstin Müller. Auch Entwicklungsministerin Heidemarie Wieczorek-Zeul kümmert sich redlich. Doch das ist, bei allem Respekt, zu wenig. Grüne deutsche Außenpolitik verträgt in diesem Fall eine kräftigere Handschrift. Eine Katastrophe von diesem Ausmaß ist Chefsache. Fischer muss Flagge zeigen, nicht zuletzt beim Geld. Die UN brauchen 350 Millionen Dollar für erste, dringend notwendige Hilfe. Die US-Regierung hat immerhin 62 Millionen zugesagt, Großbritannien elf, Deutschland dagegen knapp vier Millionen. Das ist lächerlich wenig. „Nie wieder“ hieß die Lektion, die Fischer aus Auschwitz gelernt hat. Nie wieder.

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